Für den Online- und Offline-Handel 04.03.2020, 15:31 Uhr

So wird die Internet World Expo zur Leitmesse für den digitalen Handel

Multichannel, Omnichannel, No-Channel: Für Konsumenten verliert der Unterschied zwischen Online und Offline beim Einkaufen zunehmend an Relevanz. Die Internet World Expo 2020 passt sich dem an und wird zum führenden Event für den digitalen Handel der Zukunft.
(Quelle: INTERNET WORLD EXPO)
Kunden in New York, Shanghai und ­Paris sind sich einig. Gefragt, warum sie in einem stationären Shop einkaufen, antworten sie: "Weil ich das Produkt sehen und fühlen möchte." Dies ist weltweit das wichtigste Argument für einen Filialbesuch, wie eine Studie ergab, die die Kommunikationsberatung Axis gemeinsam mit den Marktforschern von GfK und Ipsos durchgeführt hat.
Auch beim zweitwichtigsten Grund herrscht interkontinental Einigkeit: Beratung vom Verkäufer ist wichtig. Danach jedoch scheiden sich die Geister. Für Franzosen ist es ein besonderer Vorteil, dass sie das Produkt sofort mitnehmen können, während die New Yorker schlicht und einfach Liefergebühren und damit Geld sparen möchten. Und bei den Konsumenten aus dem Reich der Mitte steht der Einkauf als Erlebnis im Vordergrund.

Stationärer Handel mit Nachholbedarf

Den Einkauf zum Erlebnis machen - um dieses Anliegen dreht sich alles auf der Internet World Expo. Die Leitmesse für den digitalen Handel, findet am 10. und 11. März 2020 zum 24. Mal statt. Digitalisierung des Handels bedeutet längst nicht mehr eine Beschränkung auf den klassischen E-Commerce. Carsten ­Szameitat, Direktor der Messe, weiß: "Gerade beim stationären Handel ist der Digitalisierungsgrad erschreckend niedrig." Während also der E-Commerce nach wie vor darum ringt, in Sachen Einkaufserlebnis das Niveau zu erreichen, das im stationären Handel schon längst üblich ist, tun sich viele stationäre Händler noch schwer ­damit, digitale Vertriebskonzepte sinnvoll in ihr Geschäft zu integrieren.
Dabei spielt der Gegensatz zwischen stationärem und Online-Handel für die meisten Konsumenten kaum noch eine Rolle. Nach Zahlen des GfK-Panels Nonfood entfällt heute nur noch ein Viertel aller Umsätze auf Kunden, die ausschließlich stationär kaufen. Kunden, die nur online kaufen, spielen statistisch keine Rolle. Rund 58 Prozent aller Kunden kaufen ­sowohl Online als auch im Netz ein. Das ist eine ordentliche Mehrheit, mehr nicht. Aber das Entscheidende: Diese Gruppe ­erzeugt im Nonfood-Bereich drei Viertel aller Umsätze, Tendenz steigend. Expo-Chef Szameitat kommentiert: "Konsumenten unterscheiden nicht mehr zwischen Online und stationären Geschäften. Sie erwarten ein gleichbleibendes Kunden­erlebnis und passen ihr Verhalten entsprechend an."

"Commerce without the E"

Devin Wenig, bis September 2019 CEO der rein auf Online fokussierten Plattform Ebay, wusste schon 2010, dass der Mix aus verschiedenen Kanälen die Zukunft des Handels sein würde: "The Future of ­E-Commerce will be Commerce without the E." Diese Vision ist inzwischen bei ­erfolgreichen Unternehmen Realität ­geworden: Top-Brands wie Adidas, Apple oder Nike beherrschen das Zusammenspiel ­aller Kanäle virtuos.
Konzepte, die bislang unter Multichannel- oder Omnichannel-Commerce bekannt waren, gelten inzwischen fast schon wieder als veraltet. No-Line Commerce, auch Seamless Commerce genannt, ist die Weiterentwicklung von Multichannel-Strategien und spiegelt das zunehmende Verschwimmen der Grenzen zwischen stationärem und Online-Handel wieder. Das stellt Händler vor etliche Schwierigkeiten. Neben einer reibungslos funktionierenden Intralogistik mit optimierten Lagerbedingungen ist die effiziente Verzahnung von IT-Prozessen wichtige Voraussetzung für den No-Line-Commerce, der das Kundenerlebnis in den absoluten Mittelpunkt aller Bestrebungen stellt.

Hindernisse bei der Digitalisierung des Handels

Doch gerade bei dem stets gleichen Kundenerlebnis, das eine digitale Integration aller Kanäle mit sich bringt, haben viele Player im Handel noch Umsetzungsschwierigkeiten. So ergab eine Umfrage des Branchenverbands HDE unter seinen Mitgliedern, dass 47,4 Prozent den hohen Investitionsbedarf scheuen, der mit einer Digitalisierung einhergeht. Auch der Mangel an Know-how beim eigenen Personal rangiert mit 41,7 Prozent relativ weit vorn. Überraschend gut aufgestellt zeigen sich die Handelsunternehmen bei der grundsätzlichen technischen Infrastruktur. In ihr sehen nur 20,9 Prozent aller ­Befragten einen ernsthaften Hinderungsgrund für eine Digitalisierung ihrer Prozessketten. Und auch wenn das in den Nachrichten oft anders klingt: Nur 15 Prozent von ihnen beschweren sich über ­einen zu langsamen Internet-Anschluss.
An der Spitze der Antworten liegen ­allerdings Probleme, unter denen reine Online-Händler ebenfalls leiden. Mehr als die Hälfte aller Befragten sorgt sich um rechtliche Risiken, und fast 60 Prozent der Nennungen sehen die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit als Top-Hemmnis auf dem Weg zu einem integrierten, digitalen Handel.

Kanaldenke ist weit verbreitet

Die Kanaldenke ist indes im Handel noch weitverbreitet, auch wenn Experten dringend davon abraten. "Wichtig ist, ­Offline- und Online-Shopping-Erlebnisse nicht strikt voneinander getrennt zu ­sehen“, sagt etwa Sonia Hofmann, Marketingchefin DACH beim Usability-Experten AB-Tasty. "Oft entscheiden Kunden spontan, auf welchem Weg sie ein Produkt kaufen möchten. Typische Online-Shopper, die das Produkt aber auch in einem Store in der Nähe kaufen können, werden Ausnahmen machen und für eben dieses auch mal in das Ladenlokal gehen." Wer hier eine nahtlose Shopping Experience biete, zum Beispiel in Form von Click & Collect, könne nur gewinnen.
Die 24. Internet World Expo ritt mit dem Anspruch an, alle relevanten Themen entlang der Customer Journey zu adressieren, gleich ob der Kunde am PC sitzt, ein Smartphone nutzt oder persönlich in der Filiale erscheint. In den Hallen C5 und C6 des Münchner Messegeländes erwartet die Besucher nicht nur eine große Anzahl von Ausstellern, sondern auch sorgfältig ausgewählte Vorträge auf drei großen Bühnen sowie ein breites Rahmenprogramm an Partnerveranstaltungen. Der thematische Rahmen ist dabei bewusst weit gespannt, von der Kaufvorbereitung durch Suchen im Internet über Tools für die Verknüpfung des eigenen Business mit Commerce-Plattformen wie Amazon, Ebay oder Alibaba bis hin zur Digitalisierung des Point of Sale und ­natürlich der ganzen Prozesskette, die ins Spiel kommt, sobald der Kunde sich zum Kauf entschlossen hat.

Logistik ist eines der Schwerpunktthemen

Der grenzüberschreitende Handel wird für deutsche Unternehmen immer wichtiger - und damit die Themen Logistik und Fullfillment. Sie bestimmen auch auf der Expo viele Gespräche. "Für Händler, insbesondere bei grenzüberschreitendem Warenverkehr, wird 2020 die Transparenz über alle mit einer Lieferung verbundenen Kosten sowie die Lieferzeiten im Checkout-Prozess zur entscheidenden Stellschraube bei der Conversion", sagt Thomas Berger von Asendia Germany. Der Logistikexperte fügt hinzu: "Die Königsdisziplin wird das Return-Handling im internationalen ­E-Commerce sein, hier verstecken sich bei entsprechenden Return-Quoten wie in der Fashion-Branche zahlreiche Margenkiller, die schnell zum Problem werden."
Doch auch auf kürzerer Distanz steckt die Tücke im Detail. "Customer Expe­rience auf der letzten Meile ist ein Thema, das bislang noch wenige auf dem Schirm haben, in dem jedoch viel Potenzial steckt", erklärt Anton Eder, Mitgründer von Parcellab. "Händler sollten daher im gesamten Kaufzyklus denken, um nicht nur die Kundenzufriedenheit zu steigern, sondern auch von allen Touchpoints zu profitieren. Gerade im Versandprozess lässt sich noch viel hinsichtlich der Kommunikation optimieren, um Kunden nachhaltig zu begeistern und zu Wiederkäufern zu machen." Die Welt der Logistikexperten trifft sich auf der EXPO in diesem Jahr in Halle C6 - Commerce Communication.
Dort findet sich auch die Print & ­Packaging Avenue, eine Sonderfläche, in der sich alles um die Rolle von Print-Produkten dreht, die Sendungen beigelegt werden können oder Online-Kampagnen verstärken. Auf einer eigenen Vortragsbühne "Print on Stage" werden den Besuchern in spannenden Präsentationen die wichtigsten Druck-Trends vermittelt.

Mutiger Blick in die Zukunft

Einen mutigen Blick in die Zukunft wirft die Sonderschau POS Connect in Halle C5 - Commerce Systems. Auf einer Fläche von 1.000 Quadratmetern erfahren stationäre Ladenbetreiber, welche neuen digitalen Produkte und Services den stationären Verkauf von Waren und Dienstleistungen bis zum Jahr 2025 verändern werden und welche Brücken in den Online-Handel ­dadurch entstehen. Die Präsentationen drehen sich um Beacon-Anwendungen, RFID, Digital Signage, Instore Promotion und Virtualund Augmented Reality. 
Zu den Neuerungen auf der Internet World Expo gehört ein neues Bühnenkonzept. Statt bislang fünf kleinen Info­Arenen gibt es in diesem Jahr in jeder Expo-Halle eine zentrale, große Bühne. Dazu kommt in Halle C5 die TrendArena, die Bühne für die großen, strategischen Themen.  Zu den Referenten zählen Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica, Tobias Krüger, der für die ­Otto Group gerade eine neue Unternehmenskultur entwickelt, und Thomas Middelhoff, Deutschlands wohl umstrittenster Top-Handelsmanager. Er berichtet von der Kunst des Scheiterns – und der noch viel größeren Kunst, anschließend wieder aufzustehen.

Neues Format: Commerce Week 2020

Erstmals ist die Expo nicht nur auf zwei Tage beschränkt, sondern der Dreh- und Angelpunkt der Commerce Week 2020, einer Woche voller Veranstaltungen, die sowohl auf dem Messegelände als auch an verschiedenen Orten über die ganze Stadt verteilt stattfinden.
Dazu gehört unter anderem die Munich Creative Business Week (MCBW), mit der die Expo eine strategische Kooperation vereinbart hat. Ziel der Kooperation ist es, Handel und Design zusammenzubringen, schließlich funktionieren beide in letzter Konsequenz nicht ohne einander. Silke Claus, Geschäftsführerin von Bayern ­Design, dem Veranstalter der MCBW, ­erklärt die Idee: "Gerade für die Themenfelder Kommunikation und Digitalisierung ist die Kooperation der MCBW mit der Internet World Expo eine große Chance. Unternehmer und Designer können sich im Rahmen beider Veranstaltungen über technologische Trends und nutzer­zentrierte Gestaltung austauschen. User Experience ermöglicht im E-Commerce durch seine ganzheitliche Sicht auf die Nutzer nachhaltige ­Kundenerlebnisse." Über 120 Programmpartner beteiligen sich an der MCBW. 
Schicke Abendgarderobe ist angesagt, wenn am Vorabend der Messe vor geladenen Gästen im Hotel Bayerischer Hof die Verleihung des Shop Awards der "Internet World Business", eine der Schwesterpublikationen von SAZsport, stattfindet. In diesem Jahr wird der Preis zum zehnten Mal vergeben.
Der Eintritt zur Internet World Expo ist ab diesem Jahr grundsätzlich kostenpflichtig. Dieser Schritt dient der Steigerung der Kontaktqualität zwischen Ausstellern und Teilnehmern und entspricht dem Anspruch der Expo, eine reine Fachbesucher-Messe zu sein.
Interview
"Toolbox für den digitalen Handel“
Vor einem Jahr übernahm Carsten Szameitat die Leitung der Internet World Expo. Am 10. März öffnet die 24. Expo ihre ­Tore - mit einer Neupositionierung.
SAZsport: Diese Expo tritt mit einer neuen Konzeption an. Was sind die Gründe?
Carsten Szameitat: Die Grenzen zwischen stationärem und Online-Handel werden zunehmend bedeutungslos. Konsumenten unterscheiden nicht mehr zwischen Online und stationären Geschäften. Sie erwarten ein gleichbleibendes Kunden­erlebnis und passen ihr Verhalten entsprechend an. Diese Veränderung in der Handelswelt bilden wir mit der EXPO ab. Es geht nicht mehr um den reinen E-Com­merce, sondern um den Digitalen Handel, egal wie und wo er stattfindet
SAZsport: Erstmals findet die Expo nicht mehr als isolierte Veranstaltung statt, sondern ist eingebettet in eine ganze Themenwoche.
Szameitat:
Die Munich Commerce Week bietet uns die Möglichkeit, den Rahmen dessen zu sprengen, was man mit einer zweitägigen Messe abbilden kann. Auch die Kooperation mit der Munich Creative Business Week hilft uns, den Blick auf das Ganze zu erweitern. Handel und Design gehören untrennbar zusammen.
 
SAZsport: Wie sehen Sie die neue Rolle der Internet World Expo?
Szameitat:
Wir verstehen uns als Leitmesse für den digitalen Handel in Europa. Und für den einzelnen Besucher ist die Expo die Toolbox, die ihm alles liefert, was er braucht, um seinen Erfolg im digitalen Handel langfristig zu sichern.

Frank Kemper
Autor(in) Frank Kemper



Das könnte Sie auch interessieren