Wo geht’s lang? 17.11.2017, 12:30 Uhr

Neue Wege zum Sport- und Outdoor-Kunden

Sehen wir es einmal sportlich: Bei der Frage nach Strategien für neue Wege zum Kunden sprechen wir nur allzu oft von Cross-Channel. Für manche Branchen fühlt sich „Cross-Channel“ jedoch weniger wie eine Zukunftsoption als vielmehr wie ein „Cross-Check“ im Eishockey an.
Philipp P. Prechtl, Bereichsleiter Sport, Mode und Lifestyle bei der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner
Der „Cross-Check“ im Eishockey ist ein Foul bei dem der Spieler mit dem Schläger voraus checkt, um den Gegenspieler gegen die Bande zu befördern. Was im Sport mit einer zwei Minuten Strafe geahndet wird, hat in manchen Branchen deutlich gravierendere Konsequenzen.
So zwingen die Änderung des Verbraucherverhaltens, Vertikalisierung und ein starker Online-Handel gegenwärtig auch tradierte Hersteller und Händler in die Knie. Die Frage nach neuen Wegen zum Kunden ist also für die Sportbranche von wesentlicher Bedeutung. Um diese zu beantworten, müssen Handel und Hersteller an erster Stelle natürlich wissen, was der Kunde überhaupt will. Vermutlich will er sein Wunschprodukt noch schneller, dabei noch größere Vielfalt, individualisierbar in Größe und Style, mit aktuellen Marken und guter Betreuung vor und auch nach dem Kauf. Bis zum Kaufabschluss hat er zwischenzeitlich das Bedürfnis nach breiter Vor- und Nachinformation und „switcht“ hierbei regelmäßig zwischen Kanälen online und offline.
Daraus lassen sich  sechs wesentliche Strategien für neue Wege zum Kunden ableiten. So viel vorweg: Sie werden in Zukunft orientierter, direkter, schneller und flexibler, transparenter sowie digitaler sein.

1. Kunde im Mittelpunkt:

Unerlässliche Basis und wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zukunft: Lernen Sie  Endverwender noch viel besser kennen und finden Sie den Zugang zu ihm! Viele Hersteller sehen im Kunden immer noch den Einkäufer der nächsten Wertschöpfungsstufe, doch das ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Unter den Händlern hingegen besteht zwar der Zugang zum Endkunden, dieser wird jedoch nicht systematisch analysiert und gewinnbringend genutzt. Erst das Denken und Handeln in designierten Kundensegmenten in Bezug auf den Endverwender und die Kenntnis der zugehörigen Customer Journeys und Knackpunkte der Kaufentscheidung („Moments of truth“), erlaubt ein wirklich passgenaues Handeln in Vertrieb, Marketing und vor allem auch in der Produktentwicklung bzw. Produktselektion.

2. Starke Marke:

Der Kunde sucht gerade in Zeiten der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Allem nach Vereinfachung und Führung durch eine starke Marke. Prüfen Sie daher kritisch, ob Sie wirklich eine Hersteller- bzw. Händlermarke sind, oder eher „nur noch Etikett“ ohne echte Differenzierung im Wettbewerb. Passen also Markeninput und -output wirklich noch zusammen? Nutzen Sie für Ihre Zielgruppe den adäquaten Media-Mix von klassischen Maßnahmen bis hin zu Social Media und Influencern? Und last but not least: Haben Sie als Hersteller Ihre Marke als wertvollstes Asset wirklich bestmöglich durch ein sauberes selektives Vertriebssystem mit klaren Kriterien und einem transparenten Konditionensystem gesichert?

3. Direkterer und vertikaler Vertrieb:

Der Vertrieb wird in der Sportbranche bereits immer direkter – das zeigen die verbreiteten Monobrand-Stores etablierter Hersteller. Klar ist aber auch: Das Ertrags-Risikoprofil aus dem Direktvertrieb muss passen. Dass dies nicht für alle Unternehmen die richtige Strategie sein kann, zeigte die Entwicklung der Modebranche eindrucksvoll, in der sich so mancher aufgrund des allgemeinen Trends zur Vertikalisierung, ohne echtes Retail Know-how und Retail-Sortiment, auf das Feld begeben hat. Die Folge: Ertragschancen und eingegangenes Risiko standen oft nicht mehr im richtigen Verhältnis. Und genau hier müssen  Sie als Händler einhaken, sich als verlässliche Partner für die Hersteller positionieren und kollaborieren!

4. Optimierte Supply Chain:

Was bisher oft eher als Pflichtprogramm gesehen wurde - nämlich die Ware zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben - wird immer mehr zum Differenzierungsfaktor für Hersteller und Handel. Entlang der Wertschöpfungskette finden sich signifikante Ansatzpunkte: von Losgröße 1 über optimierte Planungssysteme, einem perfekten Komplexitätsmanagement bis hin zum passenden (global) Footprint. Initiativen wie die adidas Speedfactory zeigen dies eindrucksvoll. Für den Handel sind Themen wie Regalverlängerung oder verbesserte Nachordermöglichkeiten ein mehr als relevantes Thema. Bauen Sie Geschwindigkeit, Flexibilität und Verfügbarkeit aus und seien Sie schneller sowie passgenauer am Kunden – damit können Sie sich vom Wettbewerb absetzen, denn die Kundengunst ist auf Ihrer Seite!

5. End-to-end-Integration:

Für viele Hersteller wird es nicht möglich sein, die Wertschöpfungskette durch Vertikalisierung voll und ganz in der Hand zu haben. Daher muss für diese gelten: das eigene System der Wertschöpfung zu optimieren, um schneller am Kunden zu sein, reicht nicht aus. Es bedarf einer integrierten, kollaborativen Anstrengung auch über Unternehmensgrenzen hinweg, v.a. mit dem Handel. Damit kann die Liefergeschwindigkeit im System signifikant und zum Vorteil aller Beteiligten gesteigert werden – und ganz nebenbei ergeben sich auch noch  verbesserte Effizienz, geglättete Produktion, reduzierte Bestände und verbesserte allgemeine Verfügbarkeiten.

6. Digitalisierung und Big Data:

Last but not least, kann in Zeiten des digitalen Wandels und der Generation der Millenials, als erste echte „digital natives“, ein Hebel nicht fehlen: Digitalisierung und Big Data. Eines ist hierbei klar: Die Effekte der Digitalisierung müssen in der GuV ankommen. Sei es im Umsatz, auf Basis verbesserter Erfüllung der Kundenbedürfnisse oder in den Kosten durch eine gesteigerte interne Effizienz. Dabei können Kundenbedürfnisse nicht nur über neue, passendere oder smarte Produkte besser befriedigt werden. Gerade auch smarte Services und Prozesse können mit Hilfe von Technologien gewinnbringend eingesetzt werden.
Die Generierung und Nutzung smarter Daten ist hierfür genauso eine essentielle Basis, wie die entsprechend befähigte und willige Organisation und Kultur im Unternehmen. Die Sportbranche hat bereits vielfältige digitale Ansatzpunkte am Start, von smarten Fitnessartikeln, die Sie über Belastung oder Fehlhaltungen informieren bis hin zu individualisierbaren Produkten und digitalen Showrooms. Doch die richtige Antwort für Sie kann nicht me-too sein! Vielmehr ist die Frage zu beantworten, was für Ihr Unternehmen das richtige Set und ganzheitliche Programm in diesem Spiel ist.

Wo’s lang geht? Das wissen Sie jetzt. Doch um diese vielversprechenden Potenziale auch zu realisieren, müssen sie künftig in alle Richtungen denken. Nur so werden Sie direkter, orientierter, direkter, schneller und flexibler, transparenter sowie digitaler! Entwickeln Sie einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur die Vertriebsfunktion umfasst, sondern End-to-end die Prozesse vom und zum Kunden zu Ende denkt. Suchen Sie die enge Verzahnung mit den Potenzialen der Digitalisierung, sichern Sie Ihren Erfolg durch ein systematisches Veränderungsmanagement – und beschreiten so die neuen Wege zum Kunden.



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