„Zwei Groß-Events sind ein Umsatzkiller“
16.11.2022, 11:17 Uhr
Tor für den Weihnachtsmann
Erstmals findet in diesem Jahr eine Fußball-WM in der Weihnachtszeit statt. Für viele Menschen ist das gewöhnungsbedürftig. Für den Handel und viele Markenhersteller ist es ein Ärgernis.
Ein Beitrag von Erich Reimann
Ist der Weihnachtsmann Fußball-Fan? Man kann es nur für ihn hoffen. Denn in den nächsten Wochen wird Santa Claus sich die Aufmerksamkeit mit der Fußball-WM teilen müssen. Wegen der WM in Katar konkurrieren im Werbefernsehen, in den Einkaufszentren und Supermärkten erstmals zwei sonst säuberlich getrennte Mega-Events um die Aufmerksamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher: Fußball und Weihnachten. Es ist ein Duell Bier gegen Glühwein, Chips gegen Lebkuchen, WM-Trikot gegen Weihnachtsmannmütze.
Doch dürfte es ein ungleicher Kampf sein. «Der Nikolaus ist im Match gegen König Fußball klar in der Favoritenrolle», urteilt das Branchenfachblatt «Lebensmittel Zeitung». Tatsächlich hat es König Fußball in diesem Jahr schwerer als sonst, die Herzen der Menschen und die Verkaufsflächen im Einzelhandel zu erobern. Eine Umfrage der Marketing-Agentur UGW unter rund 1000 Kunden im Lebensmittelhandel ergab, dass für fast die Hälfte (46,3 Prozent) von ihnen eine Fußball-WM einfach nicht in die Vorweihnachtszeit passt. Nur jeder Vierte glaubt demnach, dass man Weihnachtsstimmung und WM-Euphorie kombinieren kann. Lebkuchen und Glühwein zum Spiel sind für fast 40 Prozent der Befragten unvorstellbar.
«Für den Handel ist das Zusammenfallen der beiden Groß-Events ein Umsatzkiller», ist der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf überzeugt. «Sonst waren das immer sauber getrennte Kaufanlässe, aber jetzt vermischt sich das. Und damit fährt der Handel schlechter, denn unter dem Strich wird so weniger ausgegeben.»
Außerdem müssen sich Hersteller und Händler entscheiden, wofür sie ihr Werbegeld und ihre Aktionsflächen verwenden. Steigert in den kommenden Wochen eher der Appell an die Fußball-Begeisterung der Kunden die Kauflust oder funktioniert am Ende die traditionelle Weihnachtsdekoration doch besser. UGW-Geschäftsführer und Marketingexperte Gernot Lingelbach hat keinen Zweifel über den Ausgang dieser Abwägung. «Die Entscheidung wird sehr eindeutig zugunsten von Weihnachten fallen», meint er. In den Läden würden in den kommenden Wochen die vertrauten Winter-Weihnachtsaktionen dominieren. Nur in großen Geschäften werde daneben auch noch Raum für nennenswerte WM-Aktionen sein.
Und eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Deutschlands Handelskonzernen scheint das zu bestätigen. «Das Weihnachtsgeschäft ist wesentlich bedeutender als die WM», betonte etwa ein Rewe-Sprecher. Der Handelsriese geht davon aus, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr auf geringeres Interesse stößt als frühere Großturniere. Auch weil das umstrittene Turnier in Katar in eine Zeit fällt, in der sich Handel und Kunden auf Weihnachten vorbereiteten. Rewe will deshalb nicht so viel Aufhebens um das Fußballevent machen wie sonst. Immerhin: Die beliebten WM-Sammelalben soll es auch in diesem Jahr geben.
Der Discounter Aldi plant überhaupt keine Aktionen zur diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft. «Es wird lediglich ein kleines, sehr ausgewähltes Sortiment mit Fußballmotiven geben», hieß es dort. Auch die Handelskette Globus betonte, bei ihr stehe «ganz klar das Weihnachtsgeschäft im Vordergrund» - im Laden selbst, aber auch in der Werbung.
Auch für viele Markenartikelhersteller ist es eine gravierende Entscheidung, wie sie in diesem Jahr mit dem Thema Fußball-WM umgehen. Einfach kann es sich der finanzstarke US-Limonadenriese Coca-Cola machen. Er spielt einfach beide Themen. Schon seit dem Herbst läuft die WM-Kampagne «Believing is Magic» («Glaube ist Magie»). Doch daneben gibt es wieder eine aufwendige Festtagskampagne unter dem Motto «Weihnachten findet immer einen Weg».
Einen anderen Weg wählte der Süßwarenhersteller Storck, der in der Werbung für seine Marke Knoppers Fußball-WM und Weihnachten unter den Motto «Frohe Ballnachten» zusammenführt und dazu passend auch mit einem Wendeshirt als Prämie lockt. Es ist auf der einen Seite ein klassisches Fan-Trikots, die andere Seite zeigt ein Weihnachtsdesign.
Deutlich zurückhaltender als bei früheren WM-Turnieren zeigen sich die deutschen Brauereien. Große Werbekampagnen sucht man bislang vergebens. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Von diesem Event erwartet sich unsere Branche keine Impulse, das muss man ganz nüchtern betrachten.» Ganz ähnlich beurteilte ein Edeka-Händler im Gespräch mit der «Lebensmittel Zeitung» die Situation. Seine Prognose für die nächsten Wochen: «Der WM-Effekt wird in der Weihnachtszeit einfach verpuffen.»