Kostendruck und Personalmangel pushen Digitalisierung des PoS

Zwischen Kostendruck und Personalmangel

Auch anderswo greift der Trend um sich. Wer in größeren Filialen der Fast-Food-Konzerne noch an der Theke ordert (beziehungsweise ordern darf), gehört mittlerweile zur Minderheit. Persönliche Bestellungen nehme man nur an, wenn der Laden gerade nicht zu voll ist, bekommt man mitunter zu hören - und teils gar nicht, dann bleiben nur die Displays mit Wartenummer über der Küchenzeile. Wer bar bezahlen will, wird in eine weitere Schleife geschickt, bis er das Essen holen kann.
Martin Fassnacht, Marketing-Professor an der Wirtschaftshochschule WHU, hält das digitale Outsourcing an den Kunden für lange nicht beendet. "Die Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich getriggert", sagt er. "Viele Anbieter von Dienstleistungen übertragen Aktivitäten auf ihre Kunden, um selbst Geld zu sparen. Das sieht man auch in der Medizin, etwa wenn es um Terminbuchungen bei Ärzten geht." Die Ursachen? "Ganz klar Ziele der Kostensenkung", so der Forscher, "nun auch mit bedingt durch die Energiekrise, und oft Personalmangel".
Ein regelrechter Zwang zum Self-Service mache sich breit. Nicht jeder Kunde toleriere das. "Diejenigen, die ihr Happy Meal weiter am Tresen bestellen wollen, werden benachteiligt", stellt Fassnacht nüchtern fest. "Aber der Trend kann sich bis in den Luxusbereich erstrecken."
Beispiele in günstigeren Häusern findet Kollege Heinemann auch in der Hotellerie. Selbst einchecken mit Codes und Zimmerkarten? "Das wird zunehmen. Und wer bietet eigentlich noch Gedecke als Frühstück an? Überall nur Buffets." Bereits bei der Planung einer Reise kann oder muss sich der Kunde derweil in steigender Tendenz durch einzelne Angebote klicken. So will etwa Tui verstärkt auf Kombi-Buchungen, nicht mehr nur auf fertige Pauschalpakete setzen. Sicher, das bringt mehr Auswahl - Ökonomen sprechen von Konsumentensouveränität, die für wettbewerbsfähige Preise und Konkurrenz unter den Anbietern sorgt.

"Dann findet man das gut"

Durch diese Brille betrachtet, ist die Logik der nahezu vollständigen Selbstbedienung nur scheinbar paradox. "Mancher Kunde assoziiert Service heute ja gar nicht mehr in erster Linie mit Menschen und Mitarbeitern", räumt Heinemann ein. Die höchste Zufriedenheit im Handel erhielten nicht selten Firmen, die Services in weiten Teilen ausgelagert hätten. Entscheidend für den Eindruck beim Endverbraucher sei, "dass der Preis genau deswegen geringer ist. Es muss klargemacht werden: Du hast dann alles günstiger. Dann findet man das gut."
Mögliche Schattenseite: Auch zur Zusammenstellung komplexer Produkte wie Autos gilt es, sich durch umfangreiche Konfiguratoren zu hangeln. Mancher zieht das dem Gang ins Autohaus vor und will bewusst seine Ruhe haben. Doch tauchen Sonderwünsche auf, gibt es weniger Feedback.
Viele Banken und Versicherungen beschäftigen weniger niedergelassene Berater, häufig muss man im Problemfall mit Telefon-Menüs oder gleich mit Chat-Bots vorliebnehmen. "Oder nehmen Sie medizinische Dienstleistungen", ergänzt Heinemann. Selbst gemachte Standard-Seh- oder -Hörtests, zentralisierte Krankenkassen-Portale breiteten sich aus. "Das ist sonst einfach in dieser Form nicht mehr bezahlbar."
Personalexperte Kolo appelliert an Unternehmen, das Thema digitale Selbstbedienung differenziert zu sehen. Damit meint er: "Wenn ich bestimmte Dienste verschlanke, werden dadurch Kapazitäten frei, um an anderen Stellen persönlichen Service auszubauen. Dort kann ich meine Beschäftigten sinnvoller einsetzen, um wirklich beratungsintensive Probleme zu lösen." Plumpe Digitalisierung ohne Nutzung der neuen Ressourcen riskiere hingegen, einen Teil der Kunden zu verlieren.



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