Handel 18.01.2023, 11:50 Uhr

Kostendruck und Personalmangel pushen Digitalisierung des PoS

Besonders im Einzelhandel ist zu spüren, dass Kunden möglichst viel Arbeit übernehmen sollen. Self-Check-out-Kassen zum Selbstabrechnen und Selbsteinpacken sind beispielsweise in immer mehr Geschäften zu finden.
(Quelle: Shutterstock/frantic00)
Man kann es als ultimativen Weg in die Servicewüste sehen - oder als Stärkung des aktiven Konsumenten. Bei manchen Handelsketten scheint der Kunde fast schon das Gefühl zu bekommen, die selbst gescannte Ware am besten gleich noch fürs Lager nachbestellen zu sollen. Und wie lange, so könnte man augenzwinkernd fragen, dauert es, bis der Burger im Fast-Food-Lokal nicht nur per Touchscreen gewählt, sondern auch eigenhändig gebraten werden muss?
"Bitte selber machen!" auf allen Kanälen: Was sich in der modernen Konsumwelt teils kurios, teils befremdlich ausnehmen mag, hat einen ernsten Hintergrund. Denn neben gezielter Ansprache von Verbrauchern, die für Niedrigpreise durchaus alle Handgriffe ohne menschliche Hilfe zu erledigen bereit sind, verschärfen der Kostendruck und Mangel an Fachkräften die Do-it-yourself-Haltung vieler Dienstleister.
"Das Thema an sich kennt man ja", sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein etwa zum Siegeszug der Discounter. "Aber es hat in etlichen Bereichen einen Push erhalten."
Längst geht es nicht mehr nur um klassische Selbstbedienung am Regal, nicht mehr nur um Funktionen wie den Eigen-Check-in am Flughafen oder im Zug via Automat oder App. Besonders im Einzelhandel ist zu spüren, dass Kunden möglichst viel Arbeit übernehmen sollen. Ob Lebensmittel, Sportartikel oder Möbel: Self-Check-out-Kassen zum Selbstabrechnen und Selbsteinpacken sind in immer mehr Geschäften zu finden.

Schnell und unpersönlich oder langsam und individuell

Wer eine der meist wenigen normalen Kassen vorzieht oder spezielle Fragen hat, muss oft längere Wartezeiten hinnehmen. Es laufen bereits Tests mit komplett "autonomen" Geschäften, in denen der Kunde alles ausschließlich mit der EC- oder Kreditkarte steuern kann - inklusive Zugang rund um die Uhr. Edeka beispielsweise betont, in diesen "Smart Boxes" solle ebenso "das Einkaufserlebnis im Fokus stehen". Ob Käufer mit Beratungsbedarf oder geringer Technikneigung das auch so sehen?
Heinemann ist da skeptisch. Die Entwicklung sei aber kaum aufzuhalten und aus Branchensicht im Kern nachvollziehbar. "Durch Self Check-outs oder Smart Boxes erreichen Auslagerung und Automatisierung ihren Höhepunkt", erklärt er. Die Handelslehre beschreibe dies als "Integration des externen Faktors" - sprich: des Kunden - in die Eigenleistungen des Unternehmens. "Der gesamte Onlinehandel beruht letztlich auf diesem Prinzip", sagt der Fachmann. "Doch auch im stationären Handel sehen wir jetzt seine permanente Erweiterung."
Ein Hauptgrund sei der Wegfall von Kassenkräften. "Der Kostendruck gerade im Lebensmittelhandel führt dazu. Hinzu kommt ein massiver Personalmangel in allen möglichen Bereichen." Philipp Kolo von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) betont, digital unterstützte Techniken zur Selbstbedienung hätten aus Kundensicht oft auch Vorteile: "Wenn ich nur möglichst schnell ein Standardprodukt haben möchte, kann eine automatische Kasse durchaus ausreichen. Oder wenn ich per Online-Banking eine rasche Überweisung machen will."
Es komme aber stets auf den Zusammenhang an. "Anders ist es, wenn ich gezielte Beratung suche, zum Beispiel im Fachgeschäft", erklärt Kolo. "Dann muss diese Beratung wirklich gut und umfangreich sein."



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