Logistik 25.06.2018, 15:48 Uhr

Same-Day-Delivery: Die Vor- und Nachteile für Händler

Das Verlangen nach einer taggleichen Zustellung eines Produktes wird bei Usern immer größer. Mit welchen Vor- und Nachteilen der Service einer Same-Day-Delivery für Händler verbunden ist, erzählt Alexander Honigmann von Zebra Technologies.
Alexander Honigmann, Sales Director Industry and Logistics Germany bei Zebra Technologies
(Quelle: Zebra Technologies)
Der Boom des Online-Handels und das damit verbundene erhöhte Paketaufkommen setzt die Logistikbranche zunehmend unter Druck. Hinzu kommt, dass immer mehr Händler, um im Wettbewerb bestehen zu können, den Service einer taggleichen Paketzustellung anbieten. Welche Kosten ein solcher Dienst mit sich bringt und was Händler bei der Einführung unbedingt beachten sollten, erklärt Alexander Honigmann, Sales Director Industry and Logistics Germany bei Zebra Technologies, im Interview.
Wie essentiell wird in den kommenden Jahren das Angebot einer taggleichen Zustellung für Händler, um im Wettbewerb bestehen zu können?
Alexander Honigmann: In der heutigen vom E-Commerce geprägten "On-Demand-Wirtschaft" müssen Händler ihren Kunden nicht nur die Produkte liefern können, die sie haben wollen. "On-Demand" umfasst auch die vom Kunden gewünschte Liefermethode und -zeit sowie den Lieferort. All diese Lieferaspekte können je nach Produkt variieren und für den Kunden unterschiedliche Relevanz besitzen. Händler sollten sich vor allem flexibel den Wünschen ihrer Kunden anpassen können. Wichtiger als Same-Day-Delivery kann daher in vielen Fällen "Same-Day-Availability" sein, das heißt, die Verfügbarkeit eines Produkts am gleichen Tag. Dabei spielt das Konzept Click & Collect eine entscheidende Rolle, wobei die Abholung nicht unbedingt im Geschäft erfolgen muss, sondern auch in Paketshops, Kiosks oder Schließfächern geschehen kann. In jedem Fall werden Einzelhändler immer ihre direkten Wettbewerber und deren Angebot im Blick haben und in moderne Einzelhandelstechnologien investieren müssen, um im Markt zu bestehen.
 
Mit welchen Kosten muss ein Händler in etwa rechnen, wenn er Same-Day-Delivery in seinem Shop anbieten möchte?
Honigmann: Bei allen Omnichannel-Angeboten kommen auf Händler höhere Kosten zu als im traditionellen stationären Einzelhandel. Während Kunden im Laden ihre Produkte selbst aussuchen und nach dem Bezahlen nach Hause tragen, fallen bei Online-Bestellungen mehr Aufgaben an, die personelle und finanzielle Ressourcen erfordern: für die Kommissionierung, zum Verpacken der Ware, für Packstationen inklusive Verpackungsmaterial, Adress- und Retoure-Etiketten, für den Versand und insbesondere für die Warenrücknahme etc. Verglichen mit dem stationären Handel betragen die Retourekosten bei Online-Bestellungen für Händler im Durchschnitt mehr als das Dreifache. Hinzu kommen Kosten für Mobilgeräte und die komplexere Personalplanung sowie für Überbestände im Lager. Schließlich wissen Händler nie genau, was die Kunden behalten und was sie zurückschicken. Bei Same-Day-Delivery müssen alle Prozesse noch reibungsloser funktionieren, daher ist gerade hier ein hoher Automatisierungsgrad im Fulfillment erforderlich.
 
Was muss ein Shop-Betreiber bei der Einführung der taggleichen Zustellung beachten, damit der Service reibungslos werden kann?
Honigmann: Bei Same Day Delivery ist eine reibungslose, vernetzte Supply Chain das A und O. Händler müssen ineffiziente, manuelle Prozesse digitalisieren und automatisieren, wie zum Beispiel das Bestandsmanagement. RFID-(Radio Frequency Identification)-Technologiein Kombination mit Big Data Analytics und modernen Mobilgeräten für die Mitarbeiter helfen etwa dabei, eine höchstmögliche Bestandsgenauigkeit zu erzielen und Echtzeit-Transparenz über Betriebsprozesse zu schaffen, was für eine schnelle Bearbeitung von Online-Bestellungen und Same-Day-Lieferung essentiell ist.
 
Welche Herausforderungen aber zugleich welche Vorteile bringt eine Same-Day-Delivery mit sich?
Honigmann: Zu den größten Herausforderungen bei Same-Day-Delivery zählt die Gewährleistung der Produktverfügbarkeit, ohne die dieser Service nicht realisierbar ist. Dazu müssen Händler ihre Bestandsgenauigkeit deutlich verbessern, etwa mithilfe von RFID-Lösungen, die Echtzeit-Einblicke in den Warenbestand bieten und die Bestandsgenauigkeit auf über 90 Prozent erhöhen können. Auf diese Weise reduzieren Händler auch teure Überbestände.
Stationäre Einzelhändler mit Same-Day-Delivery-Angebot bieten im Gegensatz zu reinen Online-Anbietern eine Kombination aus Vor-Ort-Beratung, Warenverfügbarkeit und schneller Lieferung. Das kann alte Kunden binden und neue Kunden anziehen. Eine große Herausforderung sind für sie jedoch die Kosten: Same-Day-Delivery aus der Filiale heraus erfordert neben Technologie-Investitionen auch mehr Personal, das sich um das Fulfillment kümmert.
Andererseits übersteigt die Nachfrage nach Same-Day-Delivery aktuell noch das Angebot für diesen Service. Händler, die helfen diese Lücke zu schließen, heben sich von der Masse ab und können so einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Außerdem sind Kunden, die ein Produkt dringend benötigen oder haben möchten, auch eher bereit, für diesen Service extra zu zahlen. Same-Day-Produkte werden aufgrund der Dringlichkeit seltener zurückgeschickt und die Zustellquote ist hier besser. So können Händler von der Einführung von Same-Day-Delivery sogar profitieren.

Konsequenzen für die Logistikbranche

Welche Konsequenzen hat es für die Logistikbranche, wenn mehr Händler diesen Service anbieten? Die Logistikdienstleister schaffen es ja bereits jetzt kaum, dem hohen Paketaufkommen gerecht zu werden.
Honigmann: Angesichts des enorm gestiegenen Paketaufkommens und des Trends zu immer kürzeren Lieferzeiten sind bei Logistikdienstleistern Innovation und technologische Investitionen gefragt. Logistikunternehmen sollten neue Technologien wie Machine Learning, künstliche Intelligenz oder Blockchain nutzen, um Prozesse zu optimieren - von der Bestandsplanung bis zur Auslieferung an den Endkunden - sowie um ihre Ausfallzeiten zu senken. Moderne Mobilcomputer, vernetzt mit IoT-Komponenten, bieten den Händlern etwa diese Möglichkeit durch Predictive Maintenance.
Auch Flexibilität und Kommunikation zwischen Unternehmen, Transportfahrern und Kunden ist heute absolut nötig, um die letzte Meile effizienter zu gestalten und die Erfolgsquote bei der Zustellung zu erhöhen.
Mithilfe von Mobilgeräten und Apps können etwa Fahrer je nach Verkehrslage ihre Route optimal planen, Kunden mitteilen, wo sich ihr Paket gerade befindet und so den Liefertermin konkretisieren oder eine flexible Möglichkeit bieten, den Lieferort kurzfristig zu ändern.
Neben alternativen Lieferorten wie Autos, Schließfächern oder Kiosks werden wir auch neue Zustellmethoden erleben, etwa durch Crowdsourcing-Lieferungen, Drohnen oder autonome Lieferfahrzeuge und -roboter. So werden sicherlich auch neue Logistikmodelle geschaffen werden, entweder von den etablierten Playern oder von innovativen Start-ups.
Immer mehr Start-ups haben sich dem Problem der letzten Meile angenommen. Glauben Sie, dass diese den etablierten Playern auf lange Sicht mit ihren Geschäftsmodellen Konkurrenz machen können? Oder wird es ihrer Ansicht nach eher zu Konsolidierungen kommen?
Honigmann: Dank vieler Start-ups entwickeln sich aktuell einige neue Liefermodelle und Lösungen für die letzte Meile. Hier spielt häufig Same-Day-Availability und die Abholung an unterschiedlichsten Stationen nach dem Click-&-Collect-Prinzip eine Rolle, aber natürlich auch Lösungen mit Drohnen, Lieferrobotern und menschlichen Zustellern oder persönliche Einkäufer. Einige Start-ups sind mit ihrem Liefermodell so erfolgreich geworden, dass sie von großen Einzelhändlern gekauft wurden, so etwa das Lebensmittel-Lieferunternehmen Shipt, das vom amerikanischen Discounter Target übernommen wurde. Daher ist sicherlich eine gewisse Konsolidierung zu erwarten. Trotzdem ist auf dem Markt noch Platz für innovative Start-ups oder Nischenunternehmen, denn schließlich ist nicht jedes Modell universell geeignet. Was in Großstädten funktioniert, kann für ländliche Regionen völlig ungeeignet sein.
 
Sie stellen auf der eLogistics World Conference ihre Studie zum Thema Same-Day-Delivery vor. Ohne zu viel zu verraten, auf welche Learnings können sich die Teilnehmer freuen?
Honigmann: Für die "Future of Fulfillment Vision Study" von Zebra Technologies wurden weltweit mehr als 2.700 Fachkräfte aus den Bereichen Transport und Logistik, Handel und Fertigung zum Thema Omnichannel-Implementierung befragt. Die Studie zeigt, dass die meisten Unternehmen erst am Anfang des Omnichannel-Fulfillments stehen und noch viele Herausforderungen zu meistern haben.
Einzelhändler versuchen in diesem Zusammenhang zunehmend, Verbrauchern eine nahtlose Shopping-Erfahrung zu bieten und ihre Erwartungen bezüglich immer kürzerer Lieferzeiten zu erfüllen. Das führt zu großen strukturellen Veränderungen im Einzelhandel. Ein Beispiel ist die Rolle der Filiale: Sie entwickelt sich immer häufiger zu einem Fulfillment-Center, in dem Click-&-Collect-Services angeboten, Bestellungen und Retouren bearbeitet werden. Wir sehen aber auch, dass viele Einzelhändler mit der rasanten Entwicklung überfordert sind und bereits angebotene Same-Day-Lieferungen wieder einstellen wollen.
Für Logistik-Unternehmen stellen Lieferrückstände die derzeit größte Herausforderung dar. Dennoch sind sie überwiegend optimistisch, dass sich Same Day Delivery in den nächsten fünf Jahren als Standard durchsetzen wird. Wie Logistiker ihre Herausforderungen zu überwinden versuchen und auf welche Technologien sie dabei setzen - auch das erfahren die Teilnehmer auf der Konferenz.
Wer gerne noch mehr über die Studie "Future of Fulfillment Vision Study" von Zebra Technologies erfahren möchte, kann das auf der eLogistics World Conference in München tun. Seid am 17. Juli mit dabei und sichert euch schnell ein Ticket.



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