Kundenbindung 08.11.2018, 09:17 Uhr

Vom Laden zur etablierten Marke am „Dritten Ort“

Einzelhändler, die ihren Laden zur Marke und zum „Dritten Ort“ entwickeln, können ihre Umsätze langfristig steigern. Wichtige Voraussetzung: die eigenen Werte kennen und klar kommunizieren
Coffeeshops zählen zu den Läden, wo der „Dritte Ort“ konsequent umgesetzt wird.
(Quelle: Unsplash / Joshua Rodriguez)
Das bevorstehende Weihnachtsgeschäft lässt sicher auch in diesem Jahr wieder viele Einzelhändler mit besorgtem Blick auf die wachsenden Umsatzzahlen des Online-Handels blicken. Aktuelle Umfrageergebnisse von FOM/ifes und Ernst & Young bestätigen, dass es Kunden in den Tagen vor Weihnachten nicht ums Bummeln und Verweilen in Ihrem Geschäft geht und auch nicht um Inspiration für Last-Minute-Geschenke. Nur 39 % der Befragten gaben an, dass ihnen die Einkaufsatmosphäre beim Geschenkekauf wichtig sei. Was dagegen zählt, sind eine bessere Beurteilung der Ware (79 %) als im E-Commerce, gute Beratung und hohe Qualität (68 %) sowie die direkte Verfügbarkeit (69 %) der Produkte (Quelle: Statista).
Damit Ihre Kunden sicher sein können, dass Sie diese Ansprüche vor allem im hektischen Weihnachtstrubel erfüllen, bedarf es zunächst eines neuen Bewusstseins: Sie als Händler sind eine Marke. Mit welcher Wortwahl Sie Ihre Kunden über Sonderangebote informieren, in welchem Ambiente Sie Ihre Ware präsentieren, wie Sie Umtausch und Rückgabe abwickeln – an jedem dieser Berührungspunkte mit den Kunden erklären Sie: Das sind meine Werte, das ist meine Vision.
Eine gezielte Markenstrategie für Ihr Geschäft und bewusst gewählte Kommunikationsmittel helfen dabei, Gelegenheitsshopper in Stammkunden zu wandeln. Deshalb mein Rat: Betten Sie die
umsatzstarke Vorweihnachtszeit ganzheitlich in Ihr Laden- und Markenkonzept ein und arbeiten Sie ganzjährig darauf hin, dass Kunden im Dezember nicht nur wissen, dass sie bei Ihnen das passende Geschenk finden, sondern auch kurz durchatmen und Kraft tanken können.

Der Laden als „Dritter Ort“

In den 1980er Jahren hat der amerikanische Stadtsoziologe Ray Oldenburg den Begriff vom „Dritten Ort“ geprägt. Dabei bezog er sich auf eine These Sigmund Freuds, der davon ausging, dass der moderne Mensch nur zwei Orte, nämlich einen Arbeitsplatz und ein Zuhause, brauche, um glücklich zu sein. Oldenburg meint dagegen, dass jeder Mensch von Zeit zu Zeit einen „Dritten Ort“ als Zuflucht braucht, der jenseits von Job und Familie soziale und kulturelle Interaktion ermöglicht. So seien „Dritte Orte“ dadurch gekennzeichnet, dass sie „frei oder günstig zugänglich sind, Speisen und Getränke angeboten werden, dass sie einladend, komfortabel und gut erreichbar sind und dass es dort Leute gibt, die regelmäßig kommen, genauso wie andere, die nur zufällig da sind.“
Auch Sie können die Eckpfeiler des „Dritten Ortes“ nutzen und Ihr Geschäft als eine Marke etablieren, mit der sich Kunden verbunden fühlen.
1. Ihre Werte sind die Basis
Personal, Material, Produkte – nach welchen Kriterien Sie sich für oder gegen diejenigen entscheiden, die am Erfolg Ihres Ladengeschäfts beteiligt sind, trifft eine klare Aussage über Ihre Werte. Natürlich wissen Kunden nicht, warum Sie Ihr Werbematerial auf zertifiziertem Recyclingpapier drucken oder lieber Trikots für die Kiezkicker spenden, anstatt für Unicef zu sammeln. Doch diese Entscheidungen sind Ausdruck Ihrer Werte, die Kunden deutlich erkennen. Sie spüren, wohin ihr Geld fließt: Nachhaltigkeit, Heimat, Zukunft. Kunden, denen diese Werte ebenso am Herzen liegen, kommen wieder.
2. Persönlichkeit schlägt ­Einheitsbrei
Valentinstag, Ostern, Muttertag – die großen Anlässe im Jahr haben die meisten Einzelhändler im Blick. Aber wie sieht es aus mit regionalen Jubiläen und Sportveranstaltungen? Wissen Ihre Kunden, wann Ihr Geschäft Jahrestag feiert? Machen Sie Ihre Verkaufsfläche zu einem Ort der Begegnung, an dem persönliche und Kiez-Belange genauso wichtig sind wie die Produkte, die Sie verkaufen. Zeigen Sie Ihre menschliche Seite – die ist Ihr großer Vorteil gegenüber dem Online-Handel.
3. Aus den Augen, nicht aus dem Sinn
Loyale Kunden fallen selten vom Himmel. Um überhaupt eine wertebasierte Kundenbeziehung aufbauen zu können, müssen Sie ganzjährig präsent sein. Wann planen Sie Rabattaktionen, wann erweitern Sie Ihre Produktpalette  und wo treten Sie als Sponsor auf? Halten Sie Ihre Kunden auf dem Laufenden, digital und klassisch-analog. Ganz wichtig dabei: Sprechen Sie menschlich; vermeiden Sie Jargon und Floskeln. Nur wenn Ihre Kunden das Gefühl haben, dass Sie mit ihnen sprechen anstatt über sie hinweg, machen Sie Ihre Marke erlebbar.
4. Außen hui – innen auch
Wer sich wohlfühlt, verweilt – und das nicht nur im Kaffeehaus. Saubere Fußböden und aufgeräumte Umkleidekabinen verstehen sich von selbst. Zum Ambiente eines funktionierenden „Dritten Ortes“ gehören aber auch das passende Beleuchtungskonzept, Möbel, Gerüche und Geräusche. Richten Sie also eine bequeme Sitzecke ein und beschäftigen Sie die Kleinen, während die Großen Geschenke kaufen. Schaffen Sie den „Dritten Ort“, indem Sie das menschliche Zusammensein auf kleinem Raum imitieren: Treffen, Unterhaltung, Hilfestellung und Interaktion.
Weil unsere sozialen und kulturellen Bedürfnisse im hektischen Alltag oft auf der Strecke bleiben, werden „Dritte Orte“ und wertebasierte Marken in Zukunft immer wichtiger. Sie schließen die Lücke zwischen dem, was uns guttut, und dem, was wir erledigen müssen, um den Alltag am Laufen zu halten. Betrachten Sie Ihr bestehendes Laden- und Markenkonzept also kritisch. Nutzen Sie die individuellen Möglichkeiten, die Sie als Einzelhändler vor Ort und in der Gemeinschaft haben. Gestalten Sie einen „Dritten Ort“, von dem Ihre Kunden wissen, weshalb Sie morgens die Ladentür aufschließen. So verliert am Ende auch der Online-Handel an Bedrohlichkeit, denn das Kräfteverhältnis verschiebt sich zu Ihren Gunsten.



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