Vergütung in einzelnen Branchen
12.01.2022, 08:30 Uhr
Jeder vierte Handelsmitarbeiter bekommt Niedriglohn
Nicht nur im Online-Handel, auch im klassischen Handel gilt es, die Arbeitsbedingungen kritisch zu hinterfragen: Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass jeder vierte Mitarbeiter im Handel in Deutschland Mindestlohn bekommt.
Amazon, die Gig Economy mit Firmen wie Uber oder Gorillas sowie andere Online-Dienste werden regelmäßig hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen kritisiert. Dabei steht zumeist das Gehalt im Fokus - so würden je nach Anbieter katastrophale Stundenlöhne gezahlt, die zum Teil gar weit unter dem Mindestlohn liegen. Doch nicht nur die Online-Branche muss sich mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen und an ihren Strukturen arbeiten, wie eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Darin wurden die Gehälter und die Lohnunterschiede von 2020 nach Regionen, Geschlechtern, Branchen und Qualifikation ausgewertet.
Die Erhebung macht nun deutlich, dass auch der klassische Handel diesbezüglich kritisch beäugt werden sollte. So bekommt jeder vierte Mitarbeiter im Handel (24,9 Prozent) Mindestlohn; und das bedeutet, dass maximal 2.284 Euro brutto auf dem Gehaltszettel stehen. Zum Vergleich: Über alle Berufsgruppen hinweg liegt die Quote bei 19 Prozent. In der Logistik liegt der Anteil bei 28,3 Prozent.
Weitere Erkenntnisse der Studie:
- In Ostdeutschland ist der untere Entgeltbereich weiterhin stark verbreitet und zugleich die Tarifbindung weit niedriger als im Westen.
- Ein Blick auf die Branchen: Im Gastgewerbe (68,9 Prozent), in Leiharbeit (67,9 Prozent) und Land- und Forstwirtschaft (52,7 Prozent) arbeiten mehr als die Hälfte der Vollzeitkräfte im unteren Entgeltbereich.
- Unter den Frauen müssen bundesweit 25,4 Prozent mit einem niedrigen Monatseinkommen trotz Vollzeitarbeit auskommen, unter den Männern 15,4 Prozent.
- Überdurchschnittlich häufig betroffen sind auch junge Vollzeitbeschäftigte, solche mit ausländischer Staatsangehörigkeit und Personen ohne Berufsabschluss.
- Stadt- und Landkreise mit hohen Wohnkosten weisen niedrigere Anteile von Vollzeitbeschäftigten im unteren Entgeltbereich auf. "In Regionen mit hohen Mieten sind zumeist auch die Löhne höher. Das bedeutet aber nicht unbedingt mehr Kaufkraft für die Beschäftigten, weil die Mieten und Preise den höheren Lohn gleichsam auffressen", kommentiert dazu WSI-Forscher Eric Seils.
Das Resümee von WSI-Forscher Helge Emmler lässt aber hoffen: Insgesamt sei der Anteil der Niedrigverdiener 2020 leicht zurückgegangen. Und: "Die geplante Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Um hier weiterzukommen, ist darüber hinaus eine Stärkung der Tarifbindung erforderlich."