Rechtliche Fakten 30.03.2017, 16:30 Uhr

Was tun bei falscher Preisauszeichnung im Online-Shop?

Was passiert, wenn im Webshop ein Preis falsch ausgegeben ist? Muss die Ware dann zum falschen Preis geliefert werden? Rechtsexpertin Madeleine Pilous hat die wichtigsten rechtlichen Fakten für solche Fälle zusammengefasst.
(Quelle: Shutterstock.com/lucadp)
Von Madeleine Pilous
Es ist bloß ein verrutschtes Komma, doch plötzlich kostet der Fernseher nur noch ein Zehntel. Immer wieder fragen sich Online-Händler, wie sie auf Bestellungen mit falsch ausgezeichneten Preisen reagieren sollen. Rechtsexpertin Madeleine Pilous hat daher die wichtigsten Fakten zusammengefasst und klärt die folgende Frage: Muss die Ware auch zum falschen Preis geliefert werden?

Ist bereits ein Vertrag zustande gekommen?

Auch im Online-Handel gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, d.h. es steht jedem frei, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird. Ist noch kein Vertrag zustande gekommen, kann das mit der Bestellung einhergehende Angebot abgelehnt werden. Wann ein Vertrag zustande gekommen ist, richtet sich nach der Vertragsschlussregelung in den AGBs des Online-Shops - allerdings besteht je nach Zahlungsart kaum Spielraum. Dies wirkt sich insbesondere bei den Zahlungsmitteln aus, die eine sofortige Zahlung ermöglichen (wie z.B. Paypal oder Sofortüberweisung). Hier kommt der Vertrag durch Einleitung der Zahlungstransaktion zustande.

"Stornierung" der Bestellung?

Einmal geschlossene Verträge sind grundsätzlich einzuhalten, d.h. Händler können nicht ohne Weiteres vom Vertrag zurücktreten oder die Bestellung stornieren. Ein mit dem Widerrufsrecht vergleichbares Recht steht Online-Händlern nicht zu.

Anfechtung des Vertrages möglich?

Eine Anfechtung führt dazu, dass ein bereits geschlossener Vertrag von Anfang an als nichtig anzusehen ist. Nach § 119 Abs. 1 BGB kann eine Willenserklärung anfechten, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war (Inhaltsirrtum) oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte (Erklärungsirrtum), wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Ein Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum) wie etwa eine fehlerhafte Preiskalkulation berechtigt hingegen nicht zur Anfechtung.
Werden in einem Shop also falsche Preise angezeigt, weil diese vom Händler oder einem der Mitarbeiter falsch eingegeben wurden oder ein technischer Fehler vorlag, so ist ein bereits geschlossener Vertrag anfechtbar. Allerdings muss der Händler im Zweifel beweisen können, d.h. nachweisen (und im Zweifel vor Gericht darlegen), dass der Fehler tatsächlich während der Erklärungshandlung, also der Eingabe des Preises, geschehen ist (AG Bremen, Urteil v. 05.12.2012, 23 C 0317/12).
Beispiel: Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum wurde etwa bei einer Formeländerung in der Software durch den Provider angenommen, die letztlich bewirkte, dass bei in ursprünglich korrekt erfassten Beträgen die Kommastelle nach vorne verschoben wurde (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 20.11.2002, 9 U 94/02). Bereits 2005 ließ der BGH die Anfechtung eines Kaufvertrages aufgrund eines Übermittlungsfehlers in die Produktdatenbank zu, der dazu führte, dass der Kaufpreis bei weniger als ein Zehntel des ursprünglichen Betrages lag (BGH, Urteil v. 26.01.2005, VIII ZR 79/04). Auch wenn ein teures Smartphone versehentlich statt mit einer Auktion für einen Sofort-Kaufen-Preis von einem Euro eingestellt wird, ist von einem Erklärungsirrtum des Händlers auszugehen (AG Bremen, Urteil v. 25.05.2007, 9 C 142/07; ebenso LG Köln, Urteil v. 30.11.2010, 18 O 150/10 zu einem Whirlpool).

Richtig anfechten

Eine Anfechtungserklärung muss eindeutig erkennen lassen, dass das Rechtsgeschäft wegen eines Fehlers beseitigt werden soll. Werden parallel zur Mitteilung des Preisirrtums Nachverhandlungen über den Preis begonnen, wird nicht hinreichend deutlich, dass sich der Händler in Gänze von dem Rechtsgeschäft lösen will, sodass keine Anfechtungserklärung vorliegt (so LG Berlin, Urteil v. 21.05.2012, 52 S 140/11).
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, ausdrücklich auf die Anfechtung abzustellen, z.B. durch: "Leider war der angegebene Preis aufgrund [eines technischen Fehlers im Shop-System] fehlerhaft. Wir fechten den Vertrag aufgrund eines Erklärungsirrtums nach §§ 119 Absatz 1, 120 BGB an und werden die von Ihnen bestellte Ware nicht liefern."

Schnelles Handeln geboten

Die Anfechtung muss ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, also nachdem der Händler vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Länge der angemessenen Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für das AG Hamburg-Barmbek war jedenfalls im Falle eines großen Unternehmens eine Frist von zehn Tagen zu lang, das LG München sah 14 Tage noch als unverzüglich an (AG Hamburg-Barmbek, Urteil v. 03.12.2003, 811B C 61/03; LG Berlin, Urteil v. 20.07.2004, Az. 4 O 293/04). Ist man über die Notwendigkeit einer Anfechtung unsicher, empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt zu konsultieren.

Konsequenzen: Schadensersatzpflicht des Anfechtenden

Derjenige, der den Kaufvertrag wegen Irrtums anfechtet, muss Schadensersatz leisten (§ 122 Abs. 1 BGB). Zu ersetzen ist der sog. Vertrauensschaden, d.h. der Geschädigte ist wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hätte. Die Obergrenze bildet dabei das Erfüllungsinteresse. Dies bedeutet, dass der Geschädigte durch den Schadensersatz auch nicht besser gestellt werden soll, als wenn der Vertrag wirksam gewesen wäre. Die Höhe des Schadens muss von dem Geschädigten nachgewiesen werden.
Beispiel: Der Marktpreis für ein Smartphone liegt bei 700 Euro, in einem Online-Shop wird es versehentlich für 350 Euro angeboten. Der Verbraucher bestellt das Smartphone. Einige Tage später wird das Smartphone im Rahmen einer Werbeaktion bei einem Elektronikhändler für 630 Euro angeboten. Da der Verbraucher auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut, kauft er dieses Smartphone nicht. Wenn der Online-Händler wirksam angefochten hat und das Angebot des Elektronikhändlers nicht mehr besteht, hätte der Verbraucher einen Vertrauensschaden von 70 Euro gehabt, nämlich die Differenz der günstigeren Werbeaktion zum Marktpreis.

Letzte Chance: Der Grundsatz von Treu und Glauben

Kann der Vertrag nicht angefochten werden, so sind die Ansprüche des Kunden dennoch unter Umständen nicht durchsetzbar. Dies ist dann der Fall, wenn in der Durchsetzung eine unzulässige Rechtsausübung liegen würde (§ 242 BGB). Dies ist jedoch nicht bereits dann gegeben, wenn das Produkt besonders günstig ist oder der Käufer um die fehlerhafte Preisangabe weiß. Es bedarf darüber hinaus der Feststellung, dass das Festhalten an dem Vertrag für den Irrenden schlechthin unzumutbar ist und auch die diesbezüglichen Umstände für den anderen Teil erkennbar sind.
Einen solchen Verstoß gegen Treu und Glauben sah das OLG Düsseldorf für den Fall als gegeben an, dass Generatoren, welche einen Marktpreis von über 3.000 Euro hatten, für 24 Euro zum Verkauf angeboten wurden (OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.05.2016, I-16 U 72/15). Der Käufer, ebenfalls ein Unternehmer, hatte kein eigenes Interesse an den Generatoren, erkannte aber den falschen Preis und wollte die Generatoren erwerben und dann mit großem Gewinn weiterveräußern. Ganz aktuell hat auch das AG Dortmund entschieden, dass ein Händler der fälschlicherweise Markisen für 29,90 statt 2.990,00 Euro anbot, nicht zur Lieferung verpflichtet ist, da in dem Ausnutzen des Preisfehlers ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege (AG Dortmund, Urteil v. 21.02.2017, 425 C 9322/16).

Tipp

Ein Vertrag zu einem falschen Preis ist schnell geschlossen - gerade im Online-Handel können kleine Tippfehler große Auswirkungen haben. Beruht der Preisirrtum auf einer falschen Eingabe oder einem technischen Fehler, sollten der Vertrag unverzüglich angefochten werden. Dabei sollte man auf eine klare Formulierung achten. Zu der Frage, ob und wie eine Anfechtung möglich ist, existieren viele, nicht immer einheitliche Gerichtsentscheidungen, sodass es hier tatsächlich auf den jeweiligen Einzelfall ankommt.
Selbst wenn keine Anfechtung möglich ist, kann der Vertrag dennoch gegen Treu und Glauben verstoßen. Dies bedarf aber besonderer Umstände, das bloße Wissen um den fehlerhaften Preis genügt hier nicht. Im Zweifel ist die Konsulation eines Rechtsanwalts ratsam.



Das könnte Sie auch interessieren