Digitaler Handel 04.03.2019, 09:03 Uhr

Kostenfalle Multichannel

Die Multichannel-Vorreiter kämpfen mit rückläufigen Profiten. Gesucht werden Wege, wie sich die Digitalisierung des Handelsgeschäfts wirtschaftlicher gestalten lässt.
Auch der Online-Händler Mymuesli überdenkt seine Multichannel-Strategie
(Quelle: Mymuesli)
Kaum Wachstum, aber dafür eine Umsatzverschiebung von Offline zu Online: Das Filialgeschäft wird für Europas größten Elektronik-Retailer Media-Saturn immer weniger profitabel. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Digitalisierung der stationären Läden und den Ausbau des E-Commerce-Geschäfts. Die Media-Saturn-Dachgesellschaft Ceconomy fährt deshalb von Quartal zu Quartal weniger Gewinn ein. Das führte dazu, dass der Aktienkurs von Ceconomy immer stärker unter Druck geriet und schließlich CEO Pieter Haas den Hut nehmen musste. Nun hat der Konzern mit dem bisherigen ATU-Chef Jörn Werner einen Nachfolger gefunden. Seine Eignung für den Job hat der Manager in den Jahren 2012 bis 2015 als CEO von Conrad Electronic unter Beweis gestellt: Werner richtete den 1923 gegründeten Elektronikhändler damals konsequent auf Multichannel aus, digitalisierte Warenbestände, führte viele kanalübergreifende Services ein und stärkte das E-Commerce-Geschäft.
Heute gilt Conrad als Musterbeispiel in Sachen Handelsdigitalisierung. Doch gibt es ähnliche Probleme wie bei Media-Saturn: Während der Umsatz nur gering wächst, ist der Gewinn in den letzten drei Jahren um zwei Drittel zurückgegangen. Auch andere Multichannel-Vorreiter kämpfen mit schwachem Wachstum und rückläufigen Profiten.
Der Schuhhändler Görtz rutschte zeitgleich mit seiner Multichannel-Offensive 2015 in die Verlustzone und konnte sich erst nach einer Restrukturierung 2017 wieder fangen. Die für kanalübergreifende Services wie die Online-Videoberatung durch Filialmitarbeiter bekannt gewordene Einrichtungskette Butlers musste 2017 sogar zwischenzeitlich Insolvenz anmelden. Und beim Müsliversender Mymuesli führte der Aufbau einer mehr als 50 Stores umfassenden Ladenkette zu so hohen Verlusten, dass das Unternehmen Ende 2018 die Kehrtwende vollzog und mehr als 20 Stores wieder schloss. Folgt man diesen Indizien, liegt der Schluss nahe: Multichannel verursacht lediglich hohe Kosten, aber keine Zusatzumsätze.

Cyberport setzt auf selektive Offline-Strategie

"Multichannel darf keine Querverrechnung mit anderen Kanälen sein": Helmar Hipp, Geschäftsführer Finanzen und Vertrieb bei Cyberport
Quelle: Cyberport
Helmar Hipp, Chef des Elektronikversenders Cyberport, warnt vor solchen Pauschalurteilen: "Es gibt nicht generell ein Profitproblem bei Multichannel." Schwierig sei es, wenn Player mit Hunderten von Filialen versuchten, die stationären Rückgänge durch Multichannel-Maßnahmen aufzufangen. "Wenn man nicht gleichzeitig den Retail umstrukturiert, kann das nie ein nachhaltiges Modell sein." Cyberport habe bei seinen 13 stationären Stores dagegen von Anfang an auf eine selektive Strategie geachtet und als Erfolgsfaktoren auf überschaubare Flächen, ein kuratiertes Sortiment, gute Lagen und vollständige Multichannel-Funktionalitäten gesetzt. "Wichtig war für uns, dass sich jeder Kanal alleine rechnen muss. Multichannel darf nur ein Add-on sein, gewissermaßen das Sahnehäubchen auf dem Kuchen - aber nie eine Querverrechnung mit anderen defizitären Kanälen", so Hipp.
Dafür, dass mittlerweile auch Online-Händler ihre stationäre Strategie überdenken, macht der Cyberport-Chef eine fragwürdige Zielsetzung verantwortlich: "Einige Player sind mit einem Showroom-Ansatz gestartet und haben ihre Shops vor allem als Marketing-Maßnahme betrachtet, um die Markenbekanntheit zu steigern." Bei etablierten Brands funktioniere das vielleicht, aber Händler - noch dazu in margenschwachen Bereichen - müssten sich eine solche Strategie gut überlegen.
Cyberport verfolgt stattdessen seit vergangenem Jahr einen anderen Ansatz: Statt unter eigenem Namen neue Stores zu eröffnen, hat der Elektronikversender bei Galeria Kaufhof bereits drei Shop-in-Shop-Flächen an den Start gebracht und plant für 2019 den weiteren Ausbau dieser Kooperation. "Das Konzept, Warenhausflächen für Shop-in-Shops zu nutzen, ist ja nicht revolutionär. Bisher haben sich unsere Erwartungen dabei erfüllt, wir liegen mit der Entwicklung sogar bereits über Plan", berichtet Hipp.

Wachstum durch Vertriebskooperationen

 "Unser Ziel ist es, dass der Anteil der eigenen Filialen am Umsatz prozentual sinkt, aber absolut trotzdem steigt": Butlers-Chef Wilhelm Josten
Quelle: Butlers
Nicht nur Cyberport setzt auf Shop-in-Shops, um den stationären Teil des Multichannel-Geschäfts profitabler zu gestalten. Auch Mymuesli und Butlers wollen künftig verstärkt mit eigenen Flächen in Kauf- und Warenhäusern präsent sein. Butlers hat dazu bereits Kooperationen mit Galeria Kaufhof, Moses und C&A geschlossen. "Unsere Filialen und das eigene Online-Geschäft bleiben unser Fundament", erklärt Firmenchef Wilhelm Josten. "Davon ausgehend, möchten wir zusätzliches Wachstum über Dritte generieren. Unser Ziel ist es, dass der Anteil der eigenen Filialen am Umsatz prozentual sinkt, aber absolut trotzdem steigt." Nicht nur stationär setzt Butlers auf Partner, um ohne große Investitionen zusätzliche Umsatzquellen zu erschließen: Im Online-Bereich ist die Einrichtungskette inzwischen Partnerschaften mit Plattformen wie ­Rewe, Wayfair und Yomonda eingegangen.
Auch die anderen unter Druck geratenen Multichannel-Händler versuchen, durch strategische Justierungen Kosten zu sparen und profitabler zu wirtschaften. So nutzt Görtz seit einigen Monaten seine digitale Warenbestandsanzeige für einen Ship-from-Store-Service. Dadurch werden nun auch die Bestände der stationären Geschäfte in den Webshop integriert und fungieren die Läden als dezentrale Lager für Online-Bestellungen. "So können wir den Kunden schneller und vollumfänglicher Waren anbieten und zusenden", erklärt Geschäftsführer Frank Revermann.
Conrad Electronic wiederum richtet sich mit seinen Multichannel-Services stärker auf die Bedürfnisse von B2B-Kunden aus. Wie Chief Sales Officer Jürgen Groth berichtet, habe eine Analyse der Kundeninteressen dafür den Ausschlag gegeben. Von der grundsätzlichen Multichannel-Ausrichtung werde Conrad nicht abweichen. Doch will das Unternehmen ähnlich wie die anderen Händler bei der Handelsdigitalisierung künftig stärker auf die Profitabilität achten.



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