Unterschiedliche Werbeformen 29.05.2017, 08:00 Uhr

Postalischer Versand vs. E-Mail-Versand: Warum Spam nicht gleich Spam ist

Für Postsendungen und digitale Post gelten unterschiedliche Vorschriften - denn Verbraucher empfinden Werbesendungen häufig als "Belästigung", gegen die sie klagen. Was die Gerichte als unzumutbaren Spam betrachten, ist nicht einheitlich geregelt.
(Quelle: Fotolia.com/pedrolieb)
Von Karl Ott, CEO von ReachAd
Die unterschiedlichen Werbeformen, die Marketern zur Zielgruppenansprache zur Verfügung stehen, bergen ganz unterschiedliche Stolpersteine. Dreh- und Angelpunkt ist immer die Bereitschaft des Kunden, auch Empfänger einer Werbesendung zu sein. Für Postsendungen und digitale Post gelten unterschiedliche Vorschriften - denn Verbraucher empfinden Werbesendungen häufig als "Belästigung", gegen die sie vor Gericht klagen. Was die Gerichte als unzumutbaren Spam betrachten, ist leider nicht einheitlich geregelt.

Spam - was bedeutet das für den Verbraucher?

Dürfen persönlich adressierte Werbebriefe grundsätzlich in den Briefkasten des Empfängers wandern, so sieht es bei nicht-personalisierter Werbung, wie Werbe-Mailings, Flyern oder Postwurfsendungen, anders aus. Per Entscheid des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 1988 (Urteil vom 20.12.1988, Az.: VI ZR 182/88) reicht ein gut sichtbarer "Keine Werbung"-Aufkleber und zumindest rein rechtlich dürfte der Briefkasten leer von Werbung bleiben.
Wie in der Praxis mit Werbung im Briefkasten umgegangen wird, kennen wir alle: Meist ohne jegliches Hinterfragen werfen wir Prospekte unbeachtet in den direkt neben den Briefkästen stehenden Papierkorb.
Einspruch oder Widerspruch wird kaum geleistet, obwohl der Verbraucher Werbung in Papierform als "Spam" empfindet. Der Ärger hält sich in Grenzen - Wegwerfen ist schließlich nur ein Handgriff.
Anders verhält es sich bei dem Werbeformat E-Mail beziehungsweise Newsletter, dem für Werbetreibende mit wichtigsten Tool im Direktmarketing. Die Reichweite ist enorm und die Kosten sind im Vergleich zur Postwurfsendung nur marginal - perfekte Balance. Aber: Mit einem Blick auf den E-Mail-Absender wird das Unternehmen gescannt und der Verbraucher empfindet Mails schnell als lästig - das Image der Firma leidet.
Zwar wäre das Löschen sogar einfacher als das Entsorgen der Papierwerbung, es wird aber als viel störender empfunden. Dass man per einfachem Klick der Zusendung von weiteren Angeboten widersprechen und sich schnell und unkompliziert aus der Empfängerliste austragen kann, nimmt der Verbraucher erst wahr, wenn er bereits völlig entnervt ist. Er fühlt sich "zugespamt".

Newsletter - angeforderte Werbung

Wechselt man zur Perspektive des E-Mail-Senders, so ist der Spam-Vorwurf beim E-Mail-Marketing verwunderlich, da hier ausschließlich mit dem Double-Opt-In-Verfahren (DOI) die Zustimmung - oder besser: Bestellung - des Empfängers vorliegt.
Beim DOI muss der Abonnent eines Newsletters erst seine E-Mail-Adresse aktivieren und so aktiv dem Empfang von E-Mail-Werbung zustimmen. Nicht wasserdicht sind andere existierende Verfahren, die man als E-Mail-Marketer gleich für immer streichen sollte, etwa das Single-Opt-In (ohne zusätzliche Aktivierung) oder das Confirmed-Opt-In (lediglich Informieren des Nutzers über die Bestellung, ohne weitere Zustimmung).
Kommt es zu einer Klage wegen "unzumutbarer Belästigung" durch E-Mail-Werbung, sind beide Procedere für den Werbetreibenden gefährlich. Geregelt ist dies in § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Zu beiden Verfahren gibt es auch schon einschlägige Rechtsprüche (LG Essen, Urt. v. 20.04.2009 - Az.: 4 O 368/08 oder AG München, Urt. v. 14.07.2009 - Az.: 48 C 1911/09).

Notwendig: Revision der Rechtsprechung

Aber auch das bisher als solide erachtete DOI kam schon ins Schwanken - nämlich als am Oberlandesgericht in München eine "Check-Mail" überprüft wurde, die einen Tag nach einer Adresseintragung (inklusive Begrüßungsmail) an eine Kundin geschickt wurde, bevor sie das DOI-Verfahren beendet hatte. Besagte E-Mail sollte seitens des Unternehmens den zuverlässigen Erhalt des Newsletters sichern - die Klägerin sah die Check-Mail aber bereits als unerlaubte Werbeansprache an. Im ersten Entscheid 2012 erhielt die Klägerin zunächst recht (Urt. v. 27.09.2012 - Az.: 29 U 1682/12), die E-Mail wurde als Spam eingestuft. Fast fünf Jahre später erging ein neuer Entscheid - mit gegenteiligem Ausgang (Urt. v. 23.01.2017 - Az.: 21 U 4747/15). Demnach sei dies "möglicherweise" doch kein Spam.
Uneinheitliche Auslegungen und fallbezogen unterschiedliche Urteile finden sich im ganzen Bundesgebiet, denn es gibt keine klaren Richtlinien für das E-Mail-Marketing. Dieses Nichtvorhandensein verbindlicher Regeln ist ein Versäumnis, das der Revision bedarf. In Deutschland beschäftigt sich "lediglich" das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) mit der Nutzung und Speicherung von Daten und legt dabei auch die notwendige Einwilligung der "Betroffenen" (§ 4a BDSG) fest.
Auch die Datenerhebung, -speicherung für eigene Geschäftszwecke ist (in § 29) hier geregelt. Allerdings reichen viele der Vorschriften auf die Entstehungsjahre in den 1970er-Jahren zurück - für die Verhältnisse in der modernen Informationsgesellschaft sind sie nicht mehr angemessen. Eben weil die Bestimmungen veraltet sind, ist es auch nicht verwunderlich, dass viele Richter gar nicht für den digitalen Bereich ausgebildet sind - es fehlt jegliche rechtlich verbindliche Grundlage.


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