Financial Customer Experience 04.02.2022, 08:00 Uhr

So lässt sich die Kundenbindung im Inkasso-Fall stärken

An jedem Touchpoint entlang der Customer Journey sollten Kunden konsistente, positive Erfahrungen machen - das erhöht die Kundenbindung. Wie sich das auch beim Mahn- und Inkassoprozess gewährleisten lässt, erklärt Jochen Schüßler, CCO bei der Troy GmbH.
(Quelle: Shutterstock/Nok Lek)
Von Jochen Schüßler, Chief Commercial Officer bei der Troy GmbH
Customer Experience (CX) ist einer der großen Trends in allen Branchen mit Konsumenten-Fokus. Konsistente, positive Erfahrungen an jedem Touchpoint entlang der Customer Journey machen Kunden loyal - was den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen kann.
Leider wird dabei häufig die Finance Experience außer Acht gelassen, obwohl sie aus mehreren Gründen hochrelevant ist. Zum einen finden in Finance-Prozessen viele Kundenkontakte statt - praktisch alle Kunden erhalten Rechnungen, circa 20 Prozent bekommen eine oder mehrere Mahnungen und je nach Vorprozessen landen circa zwei bis acht Prozent der Kunden im Inkasso.
Zum anderen sind Kunden im Mahn- und Inkassoprozess oft abwanderungsgefährdet, erst recht bei einer negativen Erfahrung. In letzter Konsequenz droht der Verlust vieler guter Kunden, da laut Studien circa 60 Prozent der Kunden im Inkasso lediglich vergessen haben zu zahlen oder nur einen kurzfristigen Engpass durchleben. Da es laut Faustformel rund fünfmal teurer ist, einen Neukunden zu akquirieren, statt einen Bestandskunden zu halten, ergibt es Sinn, auch eine positive Finance Experience anzustreben.

Inkasso-Kommunikation entschärfen

Doch wie genau lassen sich positive Kundenerfahrungen im Inkasso erreichen, die zur Kundenbindung beitragen? Wie können Kundenerwartungen erreicht oder besser übertroffen werden - im Idealfall, ohne dass diese Erwartungen zuvor kommuniziert wurden?
Offensichtlich reicht es nicht aus, die oft bürokratisch oder gar bedrohlich klingende Inkasso-Kommunikation hier und da zu entschärfen, um kundenfreundlich zu sein. Oder sich per Re-Branding mit freundlichen Farben anzustreichen, während unter der Motorhaube der alte Diesel tuckert. Der Einsatz zeitgemäßer Technologien und hohe digitale Kompetenz sind wichtige Treiber für eine wirklich "smarte" Lösung, die sich an den Kundenbedürfnissen orientiert.

Smarte CRM-Tools

Wenn man bedenkt, dass die betroffenen Kunden bereits auf dem Absprung zum Wettbewerb sind, ist technische Unterstützung an dieser Stelle dringend notwendig. In den Bereichen Marketing und Sales sind smarte CRM-Tools Usus und bieten vielfältige, oft digitale Möglichkeiten, mit Kunden zu interagieren. Viele Finance-Bereiche stehen hier eher am Anfang - circa 70 Prozent haben kaum oder nur teilweise digitalisierte Mahn- und Inkasso-Prozesse - und der Schritt in Richtung Financial Customer Experience ist noch weit entfernt.
Im Fokus einer funktionierenden Financial Customer Experience stehen insbesondere zwei Aspekte: Wie erfolgt der Kundendialog? Und wie werden Kunden relevante Services und Hilfestellungen angeboten?
Beim Kundendialog fordern Marketers seit langem echte Omni-Channel-Kommunikation und mühen sich, diese zu verwirklichen. Auch im Inkasso lässt sich diese Forderung bereits technisch umsetzen. Neben den im traditionellen Inkasso üblichen Kanälen Brief und Telefon sollte die Kommunikation auf alle relevanten digitalen Kanäle wie E-Mail, SMS, Chat, Messenger und Upload erweitert werden, will man sich an die Kommunikationsgewohnheiten der angesprochenen Kunden anpassen. Vielen traditionellen Inkasso-Anbietern ist diese Ausweitung der Kommunikationskanäle aufgrund alter, unflexibler Inkasso-Systeme jedoch nicht möglich.
Quelle: Forbes.com
Doch welche Kunden bevorzugen welchen Kanal? Und welcher Inhalt sollte wann ausgespielt werden? Natürlich sind die richtigen Daten und das Beobachten von gesellschaftlichen Trends wichtige Faktoren, um diese Fragen zu beantworten. Moderne Systeme können noch ein ganzes Stück weiter gehen, sie ermitteln beispielsweise durch Datenanalyse und Machine-Learning die Kommunikationsvorlieben und steuern die Ansprache, den Inhalt und selbst den Zeitpunkt der Kommunikation den Vorlieben der Kunden entsprechend. Erfolgt der Kontakt auf die gewünschte Art und Weise, sorgt dies für eine positive Kundenerfahrung und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Message auch wirklich ankommt.
Eine Financial Customer Experience muss zugleich auch die eher offline-affinen Kunden berücksichtigen. Mittels KI-basierter Tools können Mitarbeiter bereits jetzt ein Echtzeit-Coaching erhalten und so effektiver und empathischer am Telefon kommunizieren. Und selbst der gute alte Brief kann zum Beispiel mithilfe von Eyetracking-Analysen wirksamer und kundenfreundlicher gestaltet werden.

Angebot von Services und Hilfestellungen

Das breite Angebot von Services und Hilfestellungen ist ein weiterer relevanter CX-Treiber. Zunehmend fordern Kunden einfache und komfortable Self-Service Lösungen, mit denen sie sich rund um die Uhr selbst um ihre Finanz-Angelegenheiten kümmern können. Hier ist die präferierte Option, online ein modernes Kundenportal zur Verfügung zu stellen, das Kunden echte, relevante Mehrwerte bietet. Neben der im Inkasso üblichen Überweisung sollten dort viele weitere Zahlarten angeboten werden, um Kunden gerade bei der Bezahlung möglichst viele Optionen zu eröffnen. Alles soll sich anfühlen wie eine E-Commerce-Lösung, um die Barriere für Kunden möglichst gering zu halten.
Quelle: troy
Da viele Kunden im Inkassoprozess Orientierung zu den vergangenen und zukünftigen Schritten wünschen, ist es für sie eine echte Hilfestellung, wenn alle Informationen und jegliche Kommunikation über alle Kanäle übersichtlich dargestellt und in Echtzeit aktualisiert werden. Verspricht ein Kunde beispielsweise telefonisch eine Zahlung zu einem bestimmten Datum, ist dann sollte diese Information auch sofort im Kundencenter verfügbar sein. Dies ersetzt die im Inkasso oft typische Unsicherheit durch ein positives Gefühl.

Positive Kundenerfahrungen gerade in den eher kritischen Finanzprozessen

Die Effekte positiver CX im Inkasso sind vielfältig. Werden Kunden besser und wirksamer erreicht, steigt zunächst die Zahlquote und damit das Ergebnis - quasi die Pflicht im Inkasso. Spannend ist die Kür: Eine positive CX bewirkt, dass viele Kunden gehalten werden können, die im tradierten Inkasso verloren gingen. Dies spart Kosten für Kundenbindung bzw. -akquisition und steigert erneut das Ergebnis. Weiterhin zahlen positive Kundenerfahrungen gerade in den eher kritischen Finanzprozessen auf die allgemeine Wahrnehmung eines Unternehmens und dessen Marke ein. Und nicht zu vergessen: ein modernes Inkasso mit vielen digitalen Kommunikationskanälen und Serviceangeboten unterstützt die Digitalisierungsziele und -initiativen praktisch jedes Unternehmens.
Natürlich verlangt eine Financial Customer Experience technische Innovationen und hier und da die Abkehr von alten Gewohnheiten, aber ohne völlig neue Wege gehen zu müssen. Wenn man smarte Tools, CRM und andere technologiegetriebene Lösungen im Marketing nutzt, um zu zeigen, dass man seine Kunden wertschätzt, wieso sollte man diese Prozesse nicht auf die gesamte Financial Customer Experience erweitern, um eine end-to-end positive Customer Journey zu gewährleisten?



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