Thema des Tages
23.10.2023, 11:03 Uhr
PayPal sorgt mit Meldung über Zusatzgebühren für Umsatzeinbußen bei Händlern
PayPal droht im Check-out bei einzelnen Kunden plötzlich Aufschläge für Steuern und Versand an und verursacht damit bei Händlern Einbrüche beim Umsatz und der Konversionsrate. Wieso das passiert und was Händler jetzt machen können.
Ein Beitrag von Jochen G. Fuchs
Ein Kunde beschwert sich im Support des österreichischen Online-Händlers Styleholz, dass PayPal im Check-out androhte, für den Einkauf statt 45 Euro "aufgrund von Steuern und Versand" möglicherweise bis zu 69 Euro abzurechnen. Verständlicherweise wollte der Kunde jetzt nicht mehr abschließen.
Check-out über PayPal senkt Konversionsrate bei betroffenem Händler drastisch
Die Supportanfrage kam für Geschäftsführer André Frühwirt wie gerufen, der schon seit Tagen für die sinkende Conversionrate im Check-out eine Erklärung suchte. Von ursprünglich bis zu 4,7 Prozent sank die Rate auf unter drei Prozent. Immer weniger Kunden, die einen Check-out initiiert hatten, führten diesen auch zu Ende. Frühwirt führt den Großteil der Umsatzeinbußen auf das Problem mit Paypal zurück: "Für uns ist das so stark bemerkbar, dass wir seit Montag rote Zahlen schreiben. Und das im Q4 …" Frühwirt ist nicht der einzige betroffene Händler. Im Netz melden sich weitere Händler, auch in der offiziellen PayPal-Community finden sich weitere Fälle.
Ursache: PayPals Implementierung der starken Kundenauthentifizierung (SCA)
Das Problem tritt aufgrund der Implementierung der starken Kundenauthentifizierung (SCA) auf, die durch die P2D2-Richtlinie gefordert wird. Die schreibt vor, dass der Kunde beim Zahlungsanbieter den vollen Kaufbetrag autorisieren muss, damit die Transaktion vom Zahlungsanbieter durchgeführt werden darf.
Das der volle Kaufbetrag autorisiert werden muss, klingt erst mal selbstverständlich, ist es aber scheinbar nicht. Aus verschiedenen Gründen konnte es bisher notwendig sein, dass HändlerInnen nur den Wert des Warenkorb vorab autorisieren und erst am Ende des Checkouts den kompletten Betrag zur Verfügung haben.
Im wesentlichen gibt es zwei theoretische Erklärungen dafür, wieso ein Shop nicht gleich den kompletten Rechnungsbetrag autorisiert:
- Der Businesscase erfordert es: Beispielsweise durch eine gewichtsabhängige Berechnung von Versandkosten, oder bei einem Auslandseinkauf durch einen Aufschlag für vorab entrichtete Zölle und Steuern.
- Die Art der Integration von PayPal in den Checkout eines Shopsystems erfordert es: Simplifiziertes Beispiel: In einem mehrstufigen Checkout erfolgt die Autorisierung des Zahlungsbetrages in Schritt zwei, die Berechnung der Versandkosten und weiterer Gebühren in Schritt drei.
Bisher gab es für Händler also technisch die Möglichkeit, dass bei Transaktionen Kunden erst den Warenkorb mit dem Einkaufswert bei PayPal autorisieren, dann auf die Check-Out-Seite des Shops zurückgeleitet werden, wo abschließend Versandkosten, oder Steuern und Zölle addiert werden. Der Kunde sieht den Gesamtbetrag dann im letzten Schritt des Checkouts. Irgendwie auch transparent, weil der Kunde vor dem absenden der Bestellung nochmal den Gesamtbetrag zu sehen bekam. (Jedenfalls, wenn Händler den Prozess sauber gestaltet haben.)
Eine Tatsache, die wir aber nicht außer Acht lassen dürfen: In diesem Fall zog der Shop einen höheren Betrag ein, als ursprünglich von den KundInnen vorab autorisiert. Sprich Kunde autorisiert 200 Euro, PayPal zieht aber 240 Euro ein. Das lässt Potenzial für Missbrauch und ist auf jeden Fall intransparent gegenüber den KundInnen.
Genau aus dem Grund hat die P2D2-Richtlinie diese Praxis untersagt: Zahlungsanbieter wie PayPal müssen den kompletten Kaufpreis samt Gebühren, Steuern und Zölle autorisieren, ansonsten sind sie dazu gezwungen, die Transaktion abzubrechen.
Wieso PayPal eine Meldung über zusätzliche Aufschläge bei Kunden einblendet
PayPal erklärt: " Dieser Hinweis wird für Händlerintegrationen verwendet, wenn der Endbetrag einer Transaktion nicht im Voraus bekannt ist. In einem solchen Fall muss der Kunde dem Höchstbetrag zustimmen. " Und verweist auf die P2D2.
Was da passiert: PayPal kennt den potenziellen Gesamtbetrag nicht, kalkuliert deshalb die möglichen Gebühren, Steuern und Zölle selbst als Puffer und nennt den KundInnen dann einen maximalen Betrag. Abgerechnet wird aber nur der Betrag, den der Onlineshop dann tatsächlich einzieht.
Mit diesem Workaround will PayPal verhindern, dass eine Transaktion abgebrochen werden muss, und sorgt durch die unweigerlich entstehende Irritation bei den KundInnen doch für einen Abbruch.
PayPal-Express-Button möglicherweise oft betroffen
Im Fall von Styleholz kommt Shopify zusammen mit der hauseigenen PayPal-Integration zum Einsatz. In den offiziellen Shopify-Foren vermutet der technische Support, dass das Problem nur bei Einsatz des Express-Buttons auftritt.
Das Feedback der betroffenen Händler im Forum unterstützt diese Vermutung jedoch bisher nicht.
Wie werden Händler jetzt den Hinweis los?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das aus Praxissicht noch unklar. PayPal verweist gegenüber unser Schwesterpublikation "Internet World" auf die Art der Integration und empfiehlt den Support zu kontaktieren.
Die PayPal-Presstelle betont, dass es von der Integration abhängig ist, ob die Meldung über zusätzliche Gebühren notwendig ist oder nicht: "Wenn der Endbetrag der Transaktion bekannt ist, gibt es andere Integrationen, die keinen zusätzlichen Hinweis erfordern. Dies kann davon abhängen, wann die Zahlungsautorisierung erfolgt. Die Autorisierung sollte erfolgen, nachdem die Versandkosten hinzugefügt werden."
Die betroffenen Händler berichten allerdings davon, dass nicht alle Kunden von der Meldung über zusätzliche Gebühren betroffen sein sollen. Sollte das zutreffen, wäre es auch möglich, dass PayPals Algorithmen die Meldung fehlerhaft ausspielen. Das lässt sich aktuell aufgrund der uns vorliegenden Informationen nicht abschließend beurteilen.
Was Händler jetzt machen sollten
- Eine technische Analyse starten und mittels Testbestellungen evaluieren, ob und wie oft Transaktionen im eigenen Shop mit der Meldung über zusätzliche Gebühren versehen werden.
- Einen Supportfall bei PayPal und/oder dem beteiligten Shopsystem beziehungsweise dem Hersteller des verwendeten PayPal-Plugins eröffnen und auf diesen Artikel verweisen.
- Eine PayPal-Supportseite erwähnt die Möglichkeit, bei PayPal eine vorübergehende Ausnahme von der Regelung zu beantragen: "Wir können Ihnen eine kurzfristige Ausnahmegenehmigung erteilen, während wir Sie dabei unterstützen, Ihre Integration zu verbessern. Bitte wenden Sie sich dazu an unseren Kundenservice."
Fazit: Die Situation ist für HändlerInnen unbefriedigend
Frühwirt von Styleholz erwägt aktuell, PayPal zu deaktivieren und fühlt sich alleingelassen mit dem Problem. Der Händler berichtet, die Antwort des technischen Paypal Supports wäre nicht hilfreich gewesen: "Es gibt keine Lösung. Der Hinweis ist Pflicht und bleibt."
Jetzt muss Frühwirt sich an den Shopify-Support wenden und auf eine Lösung hoffen.
Unklar ist im Moment, wie die möglichen Änderungen aufgrund der P2D2-Richtlinie von PayPal an Partner wie Shopify und an HändlerInnen kommuniziert wurde. Die Änderung im Checkout-Prozess hat erheblichen EInfluss auf das Kundenverhalten und hätte großflächig und sorgfältig zusammen mit Vorschlägen zu notwendigen Anpassungen kommuniziert werden müssen. Wir haben außerhalb der Geschäftszeiten ein Anfrage an PayPal zu diesem Thema gestellt.
Wir aktualisieren den Artikel, falls wir weiterführende Informationen erhalten. Sie sind auch betroffen? Dann kontaktieren Sie gerne den Autor.