Anton Eder, COO von Parcellab 23.10.2020, 08:10 Uhr

"Bei Versandkosten gibt es kein richtig oder falsch"

Manche Händler investieren beim Versand in Dinge, die für Kunden wenig relevant sind, hat eine Studie von Parcellab herausgefunden. COO Anton Eder beschreibt, was Kunden vom Versand erwarten und warum es sinnvoll ist, mit mehreren Logistik-Dienstleistern zu arbeiten.
(Quelle: Parcellab)
Teilweise gravierende Differenzen zwischen den Wünschen der Kunden und dem, was Händler ihnen beim Versand bieten, ergab die Studie "E-Commerce aus Kundensicht", die Parcellab vor kurzem veröffentlicht hat. Parcellab bietet eine Kommunikationslösung rund um den Versand von Waren an. In der Studie hat der Dienstleister die Versand- und Retouren-Services der 100 größten Online-Shops in Deutschland mit den Erwartungen der Kunden verglichen. Für die Kundensicht wurden 2.000 Verbraucher online zu ihren Wünschen in Sachen Versand, Kommunikation und Retourenabwicklung befragt.
Im Interview spricht Anton Eder, Co-Founder und COO bei Parcellab über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Paketdiensten, über Gratis-Lieferungen, Click & Collect in Corona-Zeiten und darüber, dass Verbrauchern bei der Verpackung Nachhaltigkeit wichtiger ist als Branding.
Ihre Studie "E-Commerce aus Kundensicht" vergleicht den Versand- und Retouren-Service von Online-Händlern mit den Wünschen und Erwartungen der Verbraucher. Wie sind Sie bei der Untersuchung vorgegangen?
Eder:
Die Studie basiert auf der "E-Commerce Versandstudie 2020", für die wir Testbestellungen bei den 100 größten Online-Händlern in Deutschland gemacht haben. Hier haben wir sehr genau gesehen, welche Services Händler ihren Kunden anbieten. Ausgehend von den Testbestellungen haben wir dann die Umfrage entwickelt - mit Fragestellungen aus der Sicht der Kunden. Die beiden Studien haben wir dann gegenübergestellt.
Was sind Ihre Key-Findings? Wo differieren die Angebote der Händler und die Wünsche der Verbraucher am stärksten?
Eder:
Einen großen Unterschied zwischen dem Angebot der Händler und den Erwartungen der Kunden haben wir bei der kostenfreien Lieferung gesehen. 34 Prozent der Verbraucher erwarten generell eine kostenfreie Lieferung, 33 Prozent ab einem Mindestbestellwert von 20 Euro und 16 Prozent ab einem Mindestbestellwert von 50 Euro. Von den 100 größten Online-Shops bieten jedoch nur 22 einen Gratis-Versand an.
Wie sollten sich Händler verhalten? Sollten sie generell eine Gratis-Lieferung anbieten?
Eder:
Das ist fast schon eine Art Gretchenfrage: Generell gibt es bei den Versandkosten kein richtig oder falsch. Allgemein ist es jedoch für kleine Händler relativ schwierig, bei einer kostenfreien Lieferung mit großen Online-Shops mitzuhalten. Für große Händler ist die Versandkostenfrage eher eine Entscheidung, wie sie auftreten wollen. Ein Zalando geht in seiner Marketing-Kommunikation stark auf das Thema ein.
So oder so: Wenn Händler dieses Thema richtig kommunizieren, sind Kunden durchaus bereit, Versandkosten zu bezahlen. Denn viele Kunden haben dafür Verständnis, dass günstige und qualitativ gute Produkte wegen der geringen Margen auch Versandkosten mit sich bringen. Drei oder vier Euro extra fürs Porto sind dann kein Problem. Lidl ist hier ein gutes Beispiel. Andere bieten die kostenfreie Lieferung erst ab einem bestimmten Mindestbestellwert an und viele Kunden bestellen dann für einen höheren Wert, um Versandkosten zu sparen.
Wo gab es noch Unterschiede?
Eder:
Ein weiterer Punkt ist die Auswahl des Logistikers. Wir haben gesehen, dass Kunden gern die Wahl hätten zwischen DHL, DPD, Hermes oder UPS. Aber nur 19 Händler von den Top-100 bieten eine Auswahl zwischen verschiedenen Paketdiensten an. Es ist aber leider dennoch nicht so einfach. Ein Händler hat mir zum Beispiel erzählt, dass bei einer Wahl zwischen DHL und DPD sich 95 Prozent der Kunden für DHL entscheiden würden. Das bestätigen auch unsere Studienergebnisse, die zutage brachten, dass DHL der Logistiker mit dem höchsten "Trust" ist und sich die Konsumenten daher trotz Auswahlwunsch höchstwahrscheinlich für DHL entscheiden. 
Ein weiterer Unterschied ist uns beim Thema Track & Trace aufgefallen. 91 Prozent der Kunden nutzen Track & Trace, aber bei 15 Prozent der Shops hat die Sendungsverfolgung im Test nicht funktioniert.
Auch in Sachen Verpackung hat die Studie Erstaunliches zutage gefördert: Nur sieben Prozent der Verbraucher legen Wert auf einen Karton oder eine Versandtasche mit dem Branding des Händlers. 42 Prozent würden ihre Bestellung am liebsten in einem umweltfreundlichen Recyclingkarton erhalten.
Eder:
Wir sehen, dass einige Händler sehr viel Wert auf das persönliche Branding legen, gleichzeitig wird aber Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Ich war dann aber doch erstaunt, dass die Unterschiede so signifikant sind, dass nur sieben Prozent der Verbraucher sagen, ich lege darauf Wert. Inzwischen gibt es verschiedene Start-ups, die sich über einen nachhaltigeren Versand Gedanken machen - zum Beispiel mit Paketboxen, die man wiederverwenden kann.

Zustellung nach Hause hat zugenommen

Auf Click & Collect können Händler laut Ihrer Studie verzichten, da nur 28 Prozent der Verbraucher diesen Service nutzen. Große Unternehmen wie DM, Rewe und Ikea setzen - vor allem seit Corona - vermehrt auf Click & Collect. Machen die etwas falsch?
Eder:
Nach meiner Wahrnehmung haben diese Unternehmen schon vor Corona auf Click & Collect gesetzt. Seit der Corona-Krise nimmt das Interesse der Kunden an Click & Collect aber eher ein bisschen ab, weil es doch viele Leute vermeiden, in die Läden zu gehen. Diese Entwicklung sehen wir auch an unseren Daten: Die Bestellmengen und die direkte Zustellung nach Hause haben gewaltig zugenommen.
Als Händler kann ich Click & Collect ja überhaupt nur anbieten, wenn ich stationäre Geschäfte habe. Dann stellt sich die Frage: Kann ich das organisieren? Trage ich die Ware im Laden zusammen oder liefere ich sie von einem Lager aus dort hin? Ich glaube, Händler wägen sehr stark ab, ob dieser Service für sie sinnvoll ist.
Ich selbst nutze auch hin und wieder Click & Collect, denn am Samstag möchte ich mich ungern bei Ikea in die Kassenschlange stellen. Ich finde es daher generell richtig, diesen Service anzubieten. Ich halte es aber nicht für sinnvoll, Click & Collect zum jetzigen Zeitpunkt, in der Corona-Pandemie, auszubauen. Eventuell müssten Händler dieses Angebot im Checkout auch prominenter darstellen, damit es überhaupt wahrgenommen wird. Denn da hakt es oft noch.
Laut ihrer Studie halten 76 Prozent der Verbraucher DHL für einen zuverlässigen Logistiker. Die anderen Paketdienste liegen weit dahinter: Hermes mit 33 Prozent, DPD mit 21 Prozent, UPS mit 16 Prozent und GLS sogar nur mit sechs Prozent. Wie erklären Sie sich diese großen Unterschiede?
Eder:
Wir arbeiten mittlerweile mit circa 500 Händlern sowie 140 Logistikern zusammen und erhalten dadurch sehr viele Sendungsdaten. Anhand unserer Daten können wir sehen: Was passiert nach einem fehlgeschlagenen Zustellversuch? Was passiert, wenn eine Adresse nicht gefunden wird? Wie ist die Service-Qualität der verschiedenen Logistiker? Wir sehen auch anhand unserer Daten, dass DHL der Logistiker mit der höchsten Zuverlässigkeit ist.
Sie können also anhand Ihrer Sendungsdaten die Aussage der Verbraucher bestätigen, dass DHL am zuverlässigsten liefert?
Eder:
Bei den Zustellern von DHL herrscht ein ziemlich hoher Servicelevel: Wir haben zum Beispiel ein Paket an unsere Firma trotzdem bekommen, obwohl der Adressaufkleber falsch beschriftet war. Auch das Netz an Paketshops, Filialen und Packstationen hat DHL ganz gut hinbekommen - für den Fall, dass der Zusteller den Empfänger nicht zuhause antrifft. Hermes wiederum stellt oft noch sehr spät am Abend zu, um seine Kunden auch anzutreffen. So versucht jeder Paketdienst, seinen Weg zu finden.

Händler sollten sich breiter aufstellen

Sollten sich Händler dann nicht auf DHL als Zusteller beschränken und weniger beliebte Paketdienste gar nicht erst anbieten? Wenn ein Händler alle Sendungen über DHL abwickeln würde, könnte er doch auch eher von Mengenrabatten profitieren.
Eder:
Auf gar keinen Fall! Gerade jetzt in der Corona-Pandemie haben wir gesehen, dass Lieferketten zusammenbrechen können und dass es Corona-Ausbrüche in Logistikzentren geben kann. Wenn ich mich als Händler da komplett auf einen Partner verlasse, dann habe ich unter Umständen ein Riesenproblem. Händler sollten sich da unbedingt breiter aufstellen. Unter unseren Kunden waren Händler, die während der Krise fast ihr gesamtes Sendungsvolumen auf einen anderen Logistiker umschichten mussten.
Wettbewerb belebt auch das Geschäft. Wenn alle Händler nur noch mit DHL verschicken, führt das irgendwann zu einer Monopolstellung und DHL kann sich ausruhen. DHL könnte dann auch andere Preise durchsetzen und nicht mehr so viele Mengenrabatte gewähren. Außerdem würde DHL nicht mehr mit der Arbeit nachkommen, wenn Händler ihr gesamtes Volumen auf DHL shiften würden. 
Deshalb würde ich stark davon abraten, auf einen einzigen Paketdienst zu setzen, sondern immer auf zwei oder drei. Dann kommt es darauf an, ob ich vorwiegend national verschicke oder auch international. Manche Versanddienstleister sind auch in bestimmten Regionen besonders stark. Auch die Beschaffenheit des Produktes spielt eine Rolle: Wie ist das Gewicht? Wie ist die Größe? Kann ich Kosten einsparen, indem ich für bestimmte Produkte einen anderen Logistikpartner nehme? Der hat vielleicht kein ganz so hohes Service-Level und Standing bei den Kunden, ist aber trotzdem ein guter, verlässlicher Partner für mich.
Anton Eder spricht auf der digitalen Logistik-Konferenz Delivery Days über den "Erfolgsfaktor Versandprozess: Was Kunden wirklich wollen". Die Delivery Days finden von 3. bis 5. November 2020 statt. Das Programm finden Sie hier: Delivery Days.
Quelle: Delivery Days

Bärbel Edel
Autor(in) Bärbel Edel



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