Kommentar
04.05.2023, 09:29 Uhr
Chinesischer Marktplatz Temu: Schrottschleuder oder Bedrohung für Händler?
Der chinesische Konzern Pinduoduo drückt mit Macht seinen Wish-Klon Temu in den europäischen Markt - mit Erfolg: Temu erobert aktuell die App-Store-Charts. Kommt da ein neuer Player auf uns zu? Und was bedeutet das für den deutschen Handel?
Temu ist ein noch recht junger chinesischer Marktplatz, der wie einst Wish auf extrem billige Produkte setzt und mit einem hohen Gamification-Faktor auf junge Kundschaft zielt. Hinter Temu steht der chinesische E-Commerce-Gigant Pinduoduo und damit jede Menge Werbekapital: Mit dem Slogan "Shop like a billionaire" präsentierte Temu sich mit einem ebenso prestigeträchtigen wie teuren Spot beim Super Bowl. In den USA startete Temu im vergangenen Herbst und schoss direkt auf Platz 1 der App-Store-Charts.
Jetzt ist der neue Billig-Willi-ich-Player auch in Deutschland am Start, führt bereits die Shopping-Charts im Apple-App-Store an und ist im Gesamtranking des App-Stores schon auf Platz 6 vorgedrungen.
Temu feuert zum Launch aus allen Rohren
Zur Eröffnung in Deutschland bietet Temu Rabatte, die schmerzhaft für das Budget sein müssen: acht Euro Rabatt bei Warenkörben ab 60 Euro, 20 Euro Rabatt ab 100 Euro und 40 Euro ab 150 Euro Einkaufswert. Auch Versandkosten werden gerade als kostenlos beworben, mit einer Versanddauer von durchschnittlich einer Woche und einer Rücknahmegarantie innerhalb von 90 Tagen. (Wie verlässlich das funktioniert, wird die Zukunft noch zeigen müssen.)
Neben den Coupon-Rabattaktionen und den zusätzlichen diversen Rabattmöglichkeiten in den Gamification-Features steckt Temu auch noch Geld in ein "Temu-Ambassador-Programm“. Das Programm wirbt marktschreierisch mit "bis zu 1000 US-Dollar Rewards pro Woche“. In Deutschland scheint das Programm zwar nicht verfügbar zu sein, dafür können KundInnen aber durch Weiterempfehlungen mit dem Suchbegriff "free gifts" Artikel im angeblichen Wert von 100 Euro erhalten.
Und das ist nur das Ergebnis einer kurzen Recherche; vermutlich feuert Temu noch eine weitere Marketing-Raketen ab. Das zeigt, mit welcher Vehemenz Pinduoduo seine Tochter in den europäischen Markt drücken will.
Temu wird alle Marktteilnehmer Umsätze kosten
Der Vorstoß von Temu kommt nicht nur für die großen Plattformen Amazon, eBay, Zalando oder About You zu einem ungünstigen Zeitpunkt, sondern für den ganzen europäischen Handel. Die Konjunktur schwächelt und die Kauflaune geht geradewegs den Bach hinunter. (Laut HDE-Konsumbarometer schwimmen die KundInnen zwar lächelnd über den Wasserfall, aber das hilft uns auch nicht weiter.)
Und genau jetzt drückt ein chinesischer Gigant einen Billigmarktplatz in den Markt, und schöpft damit Umsätze im Niedrigpreissegment ab. Damit wird Temu aber auch Umsätze in anderen Kategorien beeinflussen, weil Spontankäufe an anderer Stelle durch den Konsum bei Temu ersetzt werden. Schmerzhafte Umsatzabwanderungen sind also nicht nur wahrscheinlich, sondern ziemlich sicher.
Temu zeigt, wie Discovery Based Shopping geht
Handelsexperte Alexander Graf hebt in seinem Kommentar auf Linkedin besonders den Punkt „Discovery Based Shopping“ hervor und nennt es ein Erfolgsrezept: “Temu bespielt TikTok - ähnlich wie Shein - viel besser als die Etablierten. Und sobald man die Temu-App öffnet, wird man in einen Strudel aus Angebot gezogen. Verbunden mit permanenter Gamification (Rabatt-Glücksrad und andere Gewinnspiel-Logiken) und Schneeball-Prinzipien (Überzeuge jetzt fünf Freunde von diesem Angebot und spare nochmal 50 Prozent)“.
Im klassischen E-Commerce ist "Discovery Based Shopping" bisher kein großes Thema und kaum zu entdecken. Wir sind zwar im Zeitalter des digitalen Handels, aber offensichtlich immer noch in der Beschaffungsmentalität stecken geblieben. Das ist zwar praktisch, aber unsexy.
Im klassischen E-Commerce ist "Discovery Based Shopping" bisher kein großes Thema und kaum zu entdecken. Wir sind zwar im Zeitalter des digitalen Handels, aber offensichtlich immer noch in der Beschaffungsmentalität stecken geblieben. Das ist zwar praktisch, aber unsexy.
Temu wird eher langfristig als mittelfristig zum Problem
Dass Temu der E-Commerce-Landschaft Schwierigkeiten bereiten wird, steht ziemlich fest. Umsatzabwanderungen sind immer problematisch und besonders der Werbedruck von Temu und der lange Atem der Muttergesellschaft stellen eine Gefahr da. Die großen Marktplätze und Händlerinnen wird Temu in den nächsten Jahren Geld kosten, mittelfristig aber nicht gefährden.
Temu donnert zwar geradezu durch die App-Stores, aber Downloads sind nicht alles. Die Bewertungen der App sind in Deutschland miserabel, das Image eines Ein-Euro-Shops hat Temu bereits weg. Zitat aus einer Bewertung im deutschen Apple-App-Store: "Der Shop verkauft nur Plastikmüll, der sowieso auf der Deponie landet“.
Temu donnert zwar geradezu durch die App-Stores, aber Downloads sind nicht alles. Die Bewertungen der App sind in Deutschland miserabel, das Image eines Ein-Euro-Shops hat Temu bereits weg. Zitat aus einer Bewertung im deutschen Apple-App-Store: "Der Shop verkauft nur Plastikmüll, der sowieso auf der Deponie landet“.
Temu müsste ein extremes Momentum entwickeln, damit Marken ihre Produkte neben der Masse an Ramsch präsentieren, der dort aktuell die Kategorien dominiert. Mittelfristig ist Temu damit eher keine Gefahr für die HändlerInnen, die mit dem aktuell vorherrschenden "Beschaffungs-E-Commerce" ihr Geld verdienen. Der wird erstmal auf Temu nicht stattfinden.
Aber Temu verankert eine neue Art einzukaufen in den Köpfen der nächsten Generationen - eben das, was Graf als "Discovery Based Shopping“ bezeichnet. Langfristig wachsen so neue Käuferschichten heran, denen der staubtrockene Beschaffungs-E-Commerce nicht mehr ausreicht. Und darauf müssen Marktplätze und HändlerInnen eher heute wie morgen eine überzeugende Antwort finden.
Aber Temu verankert eine neue Art einzukaufen in den Köpfen der nächsten Generationen - eben das, was Graf als "Discovery Based Shopping“ bezeichnet. Langfristig wachsen so neue Käuferschichten heran, denen der staubtrockene Beschaffungs-E-Commerce nicht mehr ausreicht. Und darauf müssen Marktplätze und HändlerInnen eher heute wie morgen eine überzeugende Antwort finden.