Sind Umsatzrückgänge der Grund?
27.11.2018, 10:54 Uhr
Decathlon wechselt die Aufsichtsratsvorsitzenden
Nachdem Matthieu Leclercq, der Sohn des Firmengründers Michel Leclercq, im Sommer entnervt das Handtuch bei Decathlon geschmissen hat, präsentiert der Verwaltungsrat des weltgrößten Sporthändlers mit Fabien Derville einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden und Präsidenten.
Ein Streit zwischen den Hauptanteilseignern von Decathlon hat zu einem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats geführt. Im Juni hatte Matthieu Leclerq entschieden sein Mandat als Vorsitzender des Kontrollgremiums und Präsident nicht weiter zu verlängern. Er begründete seinen Schritt in einem Brief an die Unternehmensführung, der in der Wirtschaftspresse „Challenges“ zitiert wurde: „In den vergangenen achtzehn Monaten hatte ich nicht die Freiheit, meine Berater auszuwählen, und mit der schlechten Performance zu Beginn des Jahres hat sich das Verhältnis zu unseren Aktionärsvertretern nicht verbessert", beschreibt Leclerq sein angespanntes Verhältnis zur Familie Mulliez, mit der er sich die Anteiligkeiten an Decathlon nahezu teilt.
Während die Familie Leclerq rund 40 % an Decathlon hält, soll die Familie Mulliez Mehrheitsaktionär sein. Beide Familien sind verwandt. Decathlon-Gründer Michel Leclercq ist der Cousin von Gerard Mulliez, dem Gründer der Supermarktkette Auchan und Patriarch eines Imperiums, dass über 90 Mrd. Euro schwer ist und zudem neben Decathlon mehr als 40 Ketten besitzt, u.a. Auchan sowie auch die Modefilialisten Orsay und Pimkie oder die Elektrokette Boulanger sowie der Baumarktfilialist Leroy-Merlin. Mehr als 700 Gesellschafter zählt der Mulliez-Leclerq-Clan, der sich nun offenbar wegen seiner Markenstrategie intern uneins ist.
Matthieu Leclerc hat Ende Juni beschlossen, sich nicht für eine neue Amtszeit als Präsident zu bewerben. Er tritt nach sechs Jahren als Präsident zurück und verweist in seinem Brief an Decathlon-CEO Michel Aballéa auf eine „Underperfomance“ und seine Ablehnung gegenüber der von der Familie Mulliez aufgezwungenen Eigenmarken-Strategie. Decathlon soll eigenen Angaben zufolge zwischen 80 bis 90 % seines Umsatzes von über 11 Mrd. Euro mit Private Labeln wie Quechua (Bergsport), Kalenji (Running) oder B‘twin (Fahrrad) erzielen. Im Sommer wurde bekannt, dass Decathlon künftig alle anderen Marken aussortieren möchte und mittelfristig zu 100 % auf Eigenmarke setzen wolle (SAZsport berichtete).
Diese Machtdynamik zwischen den Eigenmarken von Decathlon und den großen internationalen Marken im Geschäft ist Berichten zufolge ein aktueller Streitpunkt im Management des Unternehmens und insbesondere im Verwaltungsrat, wo man sich uneins über dieses heiße Thema sei. Leclerq habe, so Challenges, die Tür zugeschlagen, um gegen die Private-Label-Strategie der Familie Mulliez zu protestieren. Mit der Bevorzugung der eigenen einfachen und preiswerten Marken stelle sich die Marke gegen die großen Sportmarken wie Nike, Adidas oder Puma, die laut Matthieu Leclercq noch nie so selten in den Regalen standen. „Die Beziehungen sind seit mehreren Quartalen angespannt, insbesondere auf dem Weg in den für Décathlon schwer belasteten französischen Markt“, so ein Mitglied der Geschäftsleitung.
Als Reaktion auf die Einstellung von Adidas in bestimmten Segmenten wie Laufen oder Fitness, hätten die Herzogenauracher nur die Hälfte der von Decathlon bestellten Trikots geliefert, beschwert sich Leclerq in Medienberichten. Dies führte zu Engpässen bei Decathlon, während die Franzosen bekanntlich Weltmeister wurden. Die Umsätze standen zum Höhepunkt der Weltmeisterschaft nach dem ersten Halbjahr auf Halbmast und die seit Jahren erfolgsverwöhnten Franzosen mussten in ihrem Heimatland in 2018 ein Minus von 5 % verbuchen, meldet „Challenges“. In den internationalen Märkten stieg der Umsatz in 2017 um 13,4 % auf über 11 Mrd. Euro, während er in den lokalen Märkten nur um 3 % wuchs.
Die Handelsverbände Intersport und Sport 2000 gewannen hingegen Marktanteile in Frankreich, obwohl Decathlon weltweit gesehen mit seinen 90.000 Mitarbeitern in aktuell 1.412 Stores (Stand Oktober) in über 40 Ländern – wie Intersport International bestätigt – sie bereits seit zwei Jahren überholt hat und inzwischen als größter Sporthändler der Welt gilt. Mit der Übernahme von 24 Athleticum-Filialen betrat der Gigant dieses Jahr auch erstmals Schweizer Terrain.
Mit Fabian Derville rückt nun jemand an die Spitze des Kontrollgremiums von Decathlon, der ebenfalls Mitglied des Mulliez-Leclerq-Clans ist, laut Insidern aber eher der Mulliez-Familie zuzuordnen ist. Als Sohn von Eric Derville und Jeanette Mulliez hat der inzwischen 56-Jährige seine Karriere durch die verschiedenen Vertriebsarme der nordfranzösischen Familien-Holding „Association Familiale Mulliez“ aufgebaut. Derville wird den Vorsitz des Verwaltungsrates offiziell am 4. Dezember übernehmen. Er kennt Decathlon sehr gut, da er bereits Mitglied des Vorstands war als Michel Leclercq den Vorsitz inne hatte. Der begeisterte Radfahrer hatte in der Vergangenheit Führungspositionen bei Leroy-Merlin und Norauto inne. Aktuell ist er Verwaltungsratsvorsitzender beim KFZ-Spezialisten Mobivia, dem auch die deutsche Werkstattkette ATU gehört.
Hierzulande setzt Decathlon zum Jahresendspurt an: Allein am 22. November wurden vier neue Filialen in Bielefeld, Köln, Koblenz und Ludwigsburg eröffnet. Bis Weihnachten kommen noch Köln (Dumont Carré), Braunschweig sowie Magdeburg dazu. Insgesamt sollen an Silvester dann 65 Stores der Mulliez-Tochter in Deutschland stehen.
Decathlon konnte nicht zuletzt wegen seiner Eigenmarkenmargen in 2017 einen Jahresüberschuss von 610 Mio. Euro erzielen und eine Dividende von 270 Mio. Euro an seine Aktionäre ausschütten. Wie es für 2018 aussieht, wird erfahrungsgemäß im ersten Quartal des nächsten Jahres bekannt gegeben. Vor allem die Zahlen für Frankreich dürften sehr aufschlussreich sein.