Schuhhandel als „Grundversorger“
28.05.2021, 12:28 Uhr
ANWR reicht Verfassungsbeschwerde ein
Die ANWR hat über ihre Tochter Schuh Mücke Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Verbundgruppe sieht gravierende Verstöße des Bundes und des Landes Bayern – und den Schuhhandel als „Grundversorger“.
In Deutschland darf der Einzelhandel je nach Bundesland bei Inzidenzen von unter 50 oder unter 35 wieder öffnen. Bei den der ANWR Group hierzulande angeschlossenen Händlern, rund 2.500 an der Zahl, sind das über 98 Prozent. Das bedeutet gleichzeitig, dass 45 Standorte nur Click & Meet anbieten können. Der Verbundgruppe geht es aber um die grundsätzliche Klärung eines Sachverhaltes, und zwar die Einstufung des Schuhhandels als Grundversorger. Über die Tochter Schuh Mücke hat die Verbundgruppe am 21. Mai Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht, konkret gegen Teilbereiche des Infektionsschutzgesetzes des Bundes und der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.
„Durch die aktuellen Verordnungen entsteht aus Sicht der ANWR Group eine Ungleichbehandlung des Schuhhandels im Verhältnis zu anderen Geschäften der Grundversorgung, die inzidenzunabhängig geöffnet sein dürfen“, heißt es in der Mitteilung. „Diese liegt auch im Verhältnis zum Lebensmittelhandel vor, der im Rahmen der Inzidenz-unabhängigen Öffnung Schuhwaren verkaufen darf. Die aktuellen Bestimmungen ignorieren damit die vorausgegangene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. März 2021, der Schuhe als Bestandteil der Grundversorgung definiert hat.“
Tatsächlich hatten die Schuhhändler in Bayern am 1. April wieder öffnen dürfen, nachdem Schuh Mücke (Hauptsitz: Scheßlitz bei Bamberg) vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Recht gegeben worden war. Schuhgeschäfte hätten für die Versorgung der Bevölkerung eine vergleichbar gewichtige Bedeutung wie Buchhandlungen, Geschäfte für Babybedarf, Gartenmärkte oder Blumenläden, lautete die Urteilsbegründung. Doch nach eineinhalb Wochen kassierte das Bayerische Kabinett diese Entscheidung schon wieder ein – mit einer Änderung der Corona-Regeln für den Handel ab 12. April. Dabei stellte die Politik Schuhgeschäfte mit dem gesamten Einzelhandel auf eine Stufe.
Mit ihrer Beschwerde in Karlsruhe versucht die ANWR demnach, eine grundsätzliche Gleichbehandlung des Schuhhandels mit dem Lebensmitteleinzelhandel zu erreichen. Aus infektiologischer Sicht mache es keinen Unterschied, ob ein Schuh in einem Lebensmittel- oder in einem Schuhgeschäft erworben werde, so die Sichtweise der Verbundgruppe um Vorstand Fritz Terbuyken, zuständig für den Schuhbereich. „Eine Öffnung der Schuhgeschäfte würde sogar zu einer besseren Verteilung der Käuferströme bei Schuhwaren führen. Die Nachfrage nach Schuhen in Lebensmittelmärkten besteht aber im Besonderen durch die geschlossenen Schuhgeschäfte, bei einem gleichzeitig erheblichen Bedarf an Schuhen. Aus Infektionsschutzgesichtspunkten ist es zudem völlig unverständlich, dass Schuhmachergeschäfte sowie der Buchhandel Inzidenz-unabhängig geöffnet sein dürfen.“
Die ANWR verweist zudem auf das geringe Infektionsrisiko im Einzelhandel – wie es bereits das Robert-Koch-Institut festgestellt hatte. Die lange Schließung der Schuhgeschäfte habe erhebliche Folgen für die Fußgesundheit der breiten Bevölkerung. Darüber hinaus führe die lange Schließungsperiode durch den zweiten Lockdown zu existenzgefährdenden Umsatzeinbußen für den gesamten Schuheinzelhandel. Die jetzt eingereichte Verfassungsbeschwerde solle den Missstand in der aktuellen Verordnungslage beenden und Rechtsklarheit für die Zukunft bringen.
Eine Frage stellt sich aber abschließend noch: Warum wurde diese Verfassungsbeschwerde erst jetzt eingereicht, knapp sechs Wochen nach dem Beschluss des Bayerischen Kabinetts, Schuhläden wieder auf die Stufe des Einzelhandels zu stellen und eben nicht als Grundversorger anzuerkennen? ANWR-Unternehmenssprecher Ullrich Lüke dazu: „Eine Verfassungsbeschwerde ist ein deutlich aufwändigerer Prozess als eine Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof in Bayern einzureichen. Die bedarf einer größeren und detaillierteren Vorbereitung und Ausarbeitung.“