Funktion und Natur im Einklang
29.04.2020, 12:10 Uhr
Das sind die Trends bei funktioneller Sportbekleidung für 2022
Wie können Naturfasern für funktionelle Bekleidung eingesetzt werden? Die Jury des Performance Forums erklärt die neuesten Entwicklungen.
Der Schwerpunkt liegt gemäß dem Fokusthema der Messe „Inspired by nature“ auf funktionellen, nachhaltigen Stoffen, die Naturfasern oder natürliche Zusätze verwenden.
(Quelle: Shutterstock/ Freebird)
Ein Beitrag von Ulrike Arlt
Auch wenn die Performance Days mit den Trends der funktionellen (Sport-)Stoffe für Sommer 2022 nicht live im April dieses Jahres in München stattfinden kann, hat die Leitmesse dennoch einen Weg gefunden, die neuesten Trends dieser Stoffe zu präsentieren. Die Aussteller, die ihre Neuheiten im April vorstellen wollten, hatten im Vorfeld der Messe über tausend Stoffe eingesandt, um mit ihren innovativsten Entwicklungen am Performance Forum teilzunehmen. Trotz der außergewöhnlichen Umstände hat die Jury der Performance Days diese Stoffe getrennt voneinander gesichtet und eine Auswahl für das Performance Forum getroffen. Erstmals werden die Highlights nicht auf einer Plattform vor Ort in der Messehalle gezeigt, sondern in rein virtueller Form auf der Website der Performance Days.
Auf der Plattform „Digital Fair“ unter www.performancedays.com stellt die Messe allen interessierten Besuchern die 240 spannendsten Neuentwicklungen der funktionellen Stoffe vor. Der Schwerpunkt liegt gemäß dem Fokusthema der Messe „Inspired by nature“ auf funktionellen, nachhaltigen Stoffen, die Naturfasern oder natürliche Zusätze verwenden. Jurymitglied Ulrike Arlt, ehemalige Chefredakteurin der SPORTS FASHION, sprach mit ihren Jury-Kollegen Alexa Dehmel, Ute Mauch und Marco Weichert über die Trends von morgen.
SPORTS FASHION: Wohin geht der Trend im Sommer 2022 bei den funktionellen Stoffen? Was waren die Highlights bei der Auswahl der Forumsstoffe?
Alexa Dehmel: Die gesamte Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit und Natur ist beeindruckend. Naturfasern werden in Zukunft auch zu Performance-Zwecken verwendet werden. Natürliche Ausrüstungen, alleine oder in Kombination mit biobasierten oder recycelten Kunstfasern, zeigen bei der Entwicklung von Bekleidung neue, nachhaltige Wege auf.
Marco Weichert: Naturfasern oder Fasern mit natürlichen Inhaltsstoffen, die in die Garne eingebettet werden, gewinnen immer mehr an Bedeutung, insbesondere auf dem Sportbekleidungsmarkt. Fasern aus der Natur werden gezielt je nach ihrer Funktion eingesetzt, Natur und Funktion sind im Sommer 2022 keine Gegensätze mehr.
Ute Mauch: Die Textilfabriken entwickeln eine Vielzahl kreativer Stoffe aus Naturfasern und Naturfasermischungen, die leicht und angenehm zu tragen sowie einfach zu pflegen sind und die einer neuen Nachfrage nach angenehmem Tragegefühl und Komfort gerecht werden. Daraus entstehen Kleidungsstücke für den Alltag, die einen Einsatz von der sportlichen Aktivität über die Freizeit bis hin zur Arbeit ermöglichen und die im modernen Kontext des nachhaltigen Designs entwickelt wurden.
Das Fokusthema in dieser Saison heißt: „Inspired by nature“. Welche Neuheiten gibt es in Bezug auf „natürliche Funktion“?
Mauch: Die Vielfalt der neuen Stoffe ist unglaublich. Im neuen Performance Forum gibt es interessante Stoffe aus Papier, Hanf, Leinen und Tencel-Mischungen, die natürlich sind, aber zudem funktionelle Benefits bieten. Spannend sind auch die ins Garn integrierten Extrakte aus Algen, Austernschalen und Kollagen aus Fischschuppen. Ganz neu und interessant ist die kühlende Wirkung von gemahlener Jade, die in Garne eingebracht werden kann.
Dehmel: In dieser Kategorie haben mich vor allen die Mischungen aus den genannten natürlichen Fasern beeindruckt, wie zum Beispiel Paperyarn mit Seawool, Bambus mit Hanf, Viskose mit Kaschmir oder organische Merinowolle mit Alpaka. Alle diese Mischungen bieten viele natürliche Funktionen wie raschen Feuchtigkeitstransport, die Neutralisation unangenehmer Gerüche oder sehr gutes Klimamanagement. Noch dazu haben diese Mischungen einen besonders schönen Griff. Auch die Farbigkeit spiegelt die Natürlichkeit wider, sie wird oft über organische Farben erzielt oder auch, indem die Fasern ihre natürlichen Farben behalten, besonders Merino und Alpaka.
Eignet sich jede (Natur-)Faser für jeden sportlichen Einsatzbereich? Oder gibt es Unterschiede?
Mauch: Hier muss natürlich unterschieden werden, nicht jede Faser hat die gleichen
Eigenschaften. Es gibt Beauty-Ausrüstungen wie Arganöl oder Kollagen, die die Haut pflegen – das ist sicherlich bei Yogabekleidung interessanter als für Running oder Outdoor. Bei schweißtreibenden Sportarten ist dagegen ein guter Feuchtigkeitstransport wichtig – hier ist Hanf die neue Superfaser aus der Natur, und sie ist dazu noch antibakteriell und strapazierfähig. Baumwolle, die wir auch in Mischqualitäten im Forum haben, ist aufgrund der langen Trocknungszeit dagegen weniger geeignet.
Eigenschaften. Es gibt Beauty-Ausrüstungen wie Arganöl oder Kollagen, die die Haut pflegen – das ist sicherlich bei Yogabekleidung interessanter als für Running oder Outdoor. Bei schweißtreibenden Sportarten ist dagegen ein guter Feuchtigkeitstransport wichtig – hier ist Hanf die neue Superfaser aus der Natur, und sie ist dazu noch antibakteriell und strapazierfähig. Baumwolle, die wir auch in Mischqualitäten im Forum haben, ist aufgrund der langen Trocknungszeit dagegen weniger geeignet.
Dehmel: Für Yoga gibt es einige schöne natürliche Faserkombinationen und Ausrüstungen aus dem Baselayer-Segment. Eine schöne nachhaltige Entwicklung ist, dass hier mittlerweile auch recyceltes Elastan (Roica) verwendet wird. Für Jogging, Skitouren oder andere schweißtreibende Sportarten empfehle ich zum Beispiel im Midlayer-Segment eher technische 3D-Entwicklungen aus Chemiefasern oder einem Chemiefaser-Mix. Auch hier gibt es nachhaltige Lösungen, zum Beispiel Stoffe aus recyceltem Polyamid oder Polyester. Für einige werden die Rohstoffe zum Teil als Müll aus dem Meer gefischt, wie bei der Faser „Seawool“. Oder die Stoffe aus Polyesteramid: Das sind biologisch abbaubare Kunststoffe, die sich unter bestimmten anaeroben Bedingungen auf Müllhalden oder sogar im Meerwasser zersetzen. Auch biobasierte Chemiefasern wie Polyamid aus dem Öl der Rizinusbohne tragen zur Nachhaltigkeit bei.
Wie können wasserdichte, atmungsaktive Stoffe umweltfreundlich werden? Gibt es hier natürliche Lösungen, die funktionieren?
Weichert: Wirklich natürlich ist wohl nur Bienenwachs als wasserabweisende Methode. Umweltfreundlich sind die C0-Ausrüstungen, die kommen aber nicht aus der Natur. Nachhaltig sind die WWA-Laminate auch dann, wenn sie aus Monomaterialien hergestellt werden, wie etwa Oberstoff, Membran und Futter aus 100 Prozent recyceltem Polyester. Diese Materialien können recycelt werden und schließen so den textilen Kreislauf.
Dehmel: Einen weiteren Punkt darf man ebenfalls nicht vergessen: Bei den Chemiefasern, also den im Forum gezeigten recycelten Polyesterqualitäten, kommen sehr oft nachhaltige Färbemethoden zum Einsatz wie „e-dye“, „dope dye“ oder „solution dye“, die ebenfalls zur Herstellung von umweltfreundlicheren WWA-Stoffen beitragen.
Dehmel: Einen weiteren Punkt darf man ebenfalls nicht vergessen: Bei den Chemiefasern, also den im Forum gezeigten recycelten Polyesterqualitäten, kommen sehr oft nachhaltige Färbemethoden zum Einsatz wie „e-dye“, „dope dye“ oder „solution dye“, die ebenfalls zur Herstellung von umweltfreundlicheren WWA-Stoffen beitragen.
Es gibt auch in dieser Saison zwei Awards – was ist das Besondere an diesen Stoffen, warum wurden sie ausgewählt?
Weichert: Der Performance Award geht an den Hersteller Benq für eine besondere Membran. Sie hat uns sehr gefallen, da sie eine sehr hohe Performance für eine hydrophobe Membran bietet, ohne PFCs und Lösemittel einzusetzen. Der Eco Performance Award geht an einen echten „Function for the nature“-Artikel. Stotz ist bekannt für seine besonders dicht gewebten natürlichen Stoffe und hat seinen Klassiker neu aufgelegt. Die Mischung aus Organic Cotton mit Hanf in einem dicht gewebten Artikel bietet eine hohe Wassersäule ganz ohne Beschichtung.
Chemiefasern aus der Natur – wie geht das?
Auch aus natürlichen Rohstoffen können Chemiefasen wie Polyamid oder Polyester gewonnen werden. Das ist durchaus sinnvoll, denn Chemiefasern bieten beim sportlichen Einsatz Vorteile wie guten Feuchtigkeitstransport, schnelles Trocknen, aber auch Strapazierfähigkeit bei geringem Gewicht. Bei der Herstellung ist darauf zu achten, dass die verwendeten natürlichen Rohstoffe auch nachhaltig sind und keine Anbauflächen für Lebensmittel belegen. Kommen diese Rohstoffe aus Pflanzen, die für die Lebensmittelproduktion gedacht sind, dann sollten nur die nicht als Nahrung geeigneten Pflanzenabfälle verarbeitet werden. Eine nachhaltige pflanzliche Quelle für die Biosynthetics ist zum Beispiel die Rizinuspflanze. Aus dem Öl der Rizinusbohne werden Monomere gewonnen, die als Polymere zu Polyamid verarbeitet werden. Hieraus lassen sich Stoffe und auch Membranen herstellen, sogar ganze Laminate aus Rizinus-Polyamid sind möglich. Polymere für Polyamid-Membranen können auch zum Teil aus Kaffee-Öl gewonnen werden. Hierfür wird das erforderliche Öl aus Kaffeesatz extrahiert. Immer wieder in der Diskussion sind Chemiefasern aus Mais. Das Bio-Polyester wird in diesem Fall unter anderem aus der Stärke des Maiskorns gewonnen. Da die Pflanze für die Lebensmittel- oder Tierfutterproduktion verwendet werden kann, kommt Mais-Polyester in der Sportartikelbranche kaum zum Einsatz.
Neue Highlights aus der Natur
Viskosefasern wie Modal oder Tencel gehören mittlerweile zum „Must-have“ wenn es um natürliche Fasern für sportliche Einsätze geht. Jetzt betreten neue Player die Bühne. Zwei interessante, natürliche Funktionsfasern könnten Hanf und Abaca, auch bekannt als Paper Yarn, werden, die in den ersten Stoffen für Sommer 2022 zu sehen sind. Hanf ist eine natürliche Faser, die im Anbau sehr bescheiden ist. Im Gegensatz zu Baumwolle benötigt die Hanfpflanze weniger Wasser und Pestizide. Die Faser hat aber auch hervorragende funktionelle Eigenschaften. Sie kann antimikrobiell wirken – schon ein Prozentsatz von 15 Prozent Hanf in der Bekleidung kann einen Großteil der Bakterien eliminieren. Zudem ist Hanf sehr reißfest und sorgt für ein kühlendes Gefühl auf der Haut. Abaca ist auch als Manila Hanf bekannt und eine Pflanze aus der Familie der Bananen. Die Fasern aus den Blattstängeln sind der Rohstoff, aus dem zunächst Papier hergestellt wird. Dieses wird dann in feinste Streifen geschnitten und zu Garn gedreht. Dieses Paper Yarn wirkt antibakteriell, thermoregulierend und kann Feuchtigkeit sehr rasch verteilen. Beide Fasern lassen sich für sportliche Einsätze gut mit anderen natürlichen oder chemischen Fasern wie Viskose oder Polyester/Polyamid mischen.
Hier können Sie das gesamte PDF-Dossier der SPORTS FASHION by SAZ runterladen: