SAZsport-Experten 09.06.2017, 09:24 Uhr

Geschäftsmodelle im Wandel

Die OutDoor steht vor der Tür und während der Messe wird sicherlich viel über die zwei Fragen diskutiert: Sind sich die Branchenplayer inzwischen nicht viel zu ähnlich geworden? Warum sind Marken und Styles immer weniger zu unterscheiden?
Fakt ist: die Outdoor-Branche hat nach dem Abklingen des Hypes mit zweistelligen Wachstumsraten einen Reifegrad erreicht. Nicht nur die Produkte, sondern auch die dahinterliegenden Geschäftsmodelle sind immer ähnlicher geworden – was im Übrigen auf viele der bestehenden B2C-Märkte zutrifft.
Was ist die Konsequenz daraus? Der Wettbewerb wird immer intensiver über den Preis geführt, Margen erodieren, die Produktvielfalt und damit die Komplexitätskosten steigen. Gleichzeitig wird der Kunde immer anspruchsvoller, aber auch weniger loyal. Wenn die bestehenden Bemühungen immer weniger die gewünschten Effekte auf Umsatz und Ertrag haben – „mehr vom Gleichen“ also nicht mehr hilft – müssen neue Wege gefunden werden, um „anders“ und vor allem erfolgreicher zu sein als der Mitbewerber. Je nach aktueller Ausgangsposition kann – und muss – das Geschäftsmodell angepasst werden: entweder durch die gezielte Erhöhung des Kundennutzens oder durch eine optimierte Wertschöpfungsarchitektur. 

Je dynamischer die Entwicklungen in einer Branche und deren Umfeld sind, desto größer sind auch die Chancen – und diese sind in der Sport- und Outdoor-Welt definitiv gegeben. Der Einfluss gesellschaftlicher und technologischer Trends verändert das Sportverhalten und mit ihm die Konsumpräferenzen mehr denn je zuvor:
  • Globalisierung: Die Märkte werden global und grenzenlos. Sei es in geographischer Hinsicht, vor allem jedoch auch durch das Verschwimmen von Branchengrenzen – Stichwort Athleisure.
  • New Work: Menschen suchen den direkten Ausgleich von der Arbeit zunehmend durch das Abenteuer vor der eigenen Haustüre und nicht mehr durch den nächsten Trip nach Patagonien.
  • Digitalisierung: Die Digitalisierung greift in vollem Maße um sich und beeinflusst technische Möglichkeiten und Konsumenten über Fitness-Apps sowie virtuelle Communities. E-Gamer und Blogger werden zu neuen Influencern.
  • Feminisierung: Der Trend zu mehr Weiblichkeit im Sport setzt sich weiter fort.
  • Demographische Entwicklung: Die weiter wachsende Zielgruppe der Senioren sucht nach passenden Angeboten.
  • Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit wird für Konsumenten immer mehr zum „Hygienefaktor“, sowohl hinsichtlich Materialen und Herstellungsverfahren als auch in Sachen soziale Verantwortung und Arbeitsbedingungen.
  • Moral und Authentizität: Diese beiden Werte sind nicht nur im Sport wieder verstärkt im Fokus, sondern auch bei der Wahrnehmung von Marken.
Es wird jedoch nicht jeder automatisch zu den Gewinnern zählen können, der sich diesen Trends und Entwicklungen widmet.
Im Gegenteil: Es droht dabei auch die immanente Gefahr der Verzettelung, indem auf der Suche nach Differenzierung und neuen Ertragsquellen zu viele Initiativen gestartet werden – eher opportunistisch und in Trial & Error-Manier. Wer jedoch die Potenziale der Veränderung systematisch sucht, erkennt, entsprechend zur Optimierung des Kundennutzens oder seiner Wertschöpfung nutzt und damit sein Geschäftsmodell anpasst, dem bieten sich vielschichtige Möglichkeiten zu Differenzierung.
Was nach einer theoretischen Abhandlung nach dem Motto „es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ klingt, lässt sich anhand der dargestellten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen leicht in die Praxis überführen.
Dabei schlage ich Ihnen ein Vorgehen in folgenden fünf Schritten vor:
Überprüfen Sie Ihre aktuelle Situation im Wettbewerb!  
Mangelt es Ihnen eher an Differenzierung, an Effizienz oder im ungünstigsten Fall an beidem?
Prüfen Sie Ihre Potenziale in der Wertschöpfungsarchitektur!
Die Supply-Chain ist immer stärker gefordert: höchste Flexibilität, geringe Durchlaufzeiten, niedrige Bestände, exakte Bedarfsprognosen etc. Die Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungskette wird zum kritischen Erfolgsfaktor und Differenzierungsmerkmal Ihres Unternehmens. Neben den „klassischen Stellschrauben“ erlaubt Ihnen die Digitalisierung viele zusätzliche „smarte“ Optimierungsmöglichkeiten, vor allem auf Basis umfassender Datennutzung (end-to-end).

Prüfen Sie Chancen zur Erhöhung des Kundennutzens!
Die Basis hierfür ist ein klares Verständnis der Kundenbedürfnisse: was sind Ihre relevanten Kundensegmente? Wie ticken diese? Wie verläuft die Customer-Journey? Was wollen die Kundensegmente wirklich? Je nach Zielgruppen kann der Kundennutzen gezielt erhöht werden, indem Trends frühzeitig erkannt und übernommen werden. Dabei kann es nach Ihrer spezifischen Positionierung angemessen sein, z.B. Best Ager oder das Thema Nachhaltigkeit gezielt zu adressieren und das Portfolio um neue Sportarten wie Yoga oder Trends wie Athleisure zu ergänzen.
Darüber hinaus bietet Ihnen auch hier die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten. Neue Produktionsverfahren (wie z.B. die Speedfactory von Adidas) ermöglichen in Zukunft eine Einzelfertigung und starke Individualisierung der Produkte. Daneben können diese mit völlig neuen Funktionen versehen werden und damit „smarten“ Zusatznutzen bringen, z.B. durch integrierte Sensoren und Aktoren, welche die Vitalwerte messen und entsprechend die Atmungsaktivität eines Materials steuern oder sogar Notrufe absetzen können. Auch die Verknüpfung mit entsprechenden Anwendungen („smarten Prozessen“) kann erheblichen Zusatznutzen bringen, etwa, wenn in der Lauf-App anzeigt wird, wie stark die Sohlen der getragenen Schuhe abgenutzt sind, verbunden mit einer Empfehlung oder dem Angebot für ein adäquates Neumodell.
 
Achten Sie auf immer auf Passung und Begehrlichkeit Ihrer Marke!
Die Basis des Erfolgs – nicht nur im Outdoor-Bereich, sondern im gesamten Sport- und Modesegment – ist, als eine starke und begehrliche Marke wahrgenommen zu werden. Bekanntheit ist gut, doch per Definition kann eine Marke nur dann begehrlich sein, wenn sie nicht jeder hat. Neben der natürlichen Begrenzung ist immer im Auge zu behalten, wie weit die eigene Marke in Bezug auf neue Trends, Sportarten und Produkte „dehnbar“ ist. Denn nicht jede Marke kann eine Ausweitung verkraften, ohne die Glaubwürdigkeit zu verspielen.

Packen Sie Ihren Ansatz in ein ganzheitliches strategisches Konzept!
Wenn Sie die für Ihr Unternehmen passende Ausrichtung gefunden haben, erstellen Sie ein ganzheitliches Programm und vermeiden Sie separierte Einzelinitiativen. Denn der Erfolg der Umsetzung ist wesentlich davon abhängig, wie gut Sie Ihre Mitarbeiter mobilisieren, die Zielsetzung und das Zielbild kommunizieren können und auf dieser Basis schließlich auch schnelle erste Erfolge verzeichnen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen viele spannende Anregungen für die bevorstehende OutDoor und vielleicht einen etwas anderen Blickwinkel auf Kollektionen, Styles, Wettbewerber und neue technische Entwicklungen geben.



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