50 Jahre SAZsport: Jubiläen & Legenden (Teil 4) 08.04.2024, 14:18 Uhr

Siegfried Paßreiter, der „Unruheständler“

Fast 40 Jahre verbrachte er für Völkl und Fischer in der Skibranche. Doch auch heute noch ist Siegfried Paßreiter Bestandteil der Szene – gewissermaßen ein Mensch im „Unruhestand“.
Siegfried Paßreiter, hier noch zu seiner aktiven Zeit als Geschäftsführer von Fischer, überreicht Biathlon-Star Magdalena Neuner im Jahr 2012 einen der ersten Schuhe der "Vacuum"-Linie.
(Quelle: Archiv Siegfried Paßreiter/Fischer)
Man hört sie immer wieder mal, die Geschichten. Von Leuten, die für ihren Beruf gelebt haben, dann in den Ruhestand treten und mit sich und ihrer neuen freien Zeit nichts anzufangen wissen. Die sich langweilen und nur noch vor sich hin vegetieren. Über Siegfried Paßreiter lässt sich etwas ganz anderes erzählen. 2018 hatte er seinen Abschied bei Fischer gegeben, er, eine große Persönlichkeit und absolute Legende der Skibranche, der er fast 40 Jahre angehörte. Manche verschwinden aus der Szene, er nicht. Paßreiter war (und ist) weiterhin Teil des BSI in seiner Funktion als Ehrenvorstand. Er wurde Aufsichtsratsmitglied bei der DSV Leistungssport GmbH, saß im Aufsichtsrat bei der Veranstaltung der Nordischen Ski-WM 2021 in Oberstdorf und engagiert(e) sich gemeinsam mit Andreas Rudolf, dem ehemaligen Geschäftsführer von Sport 2000 Deutschland, im Beirat des jungen Unternehmens Sportshop.Cloud, einer Plattform für Content- und Produktdatenpflege mit der Zielgruppe Industrie und Handel. Und er trat außerhalb der Sportbranche sogar einen besonderen Dienst an: Am Landgericht Regensburg wurde er zum Schöffen berufen – eine Aufgabe als ehrenamtlicher Richter, die gerade für weitere fünf Jahre bis 2029 verlängert wurde. Ein voller Terminkalender demnach für den „Unruheständler“, wie er sich augenzwinkernd selbst bezeichnet.

Wechsel von Völkl zu Fischer

Sein Weg in die Sportbranche hatte 1978 allerdings einen tragischen Hintergrund: Eigentlich waren die Vorbereitungen getroffen, um nach dem BWL-Studium in die Frankfurter Finanzwelt einzutauchen. Doch als sein Vater im Alter von nur 52 Jahren verstirbt, verwirft er diesen Plan und bleibt in seiner niederbayerischen Heimat Geiselhöring. Und so steigt er als Vertriebsassistent bei Völkl ein. Ende der 80er Jahre wird er Chef der Sales-Abteilung und 1992 dann sogar Geschäftsführer, als die Schweizer Furrer AG den Straubinger Ski- und Tennisproduzenten übernimmt. Sechs Jahre später dann der Wechsel zu Fischer – unter für ihn nicht ganz so glücklichen Umständen.Während Völkl in den 80er und teilweise auch 90er Jahren den Alpin-Bereich dominiert, ist Fischer damals nur unter ferner liefen. Mit dem neuen Deutschland-Geschäftsführer Paßreiter jedoch wendet sich das Blatt: Über die kommenden Jahre entwickelt sich die Marke aus Ried in jeder Saison zu einem Kandidaten fürs Podest. Im nordischen Bereich ist diese ohnehin schon eine Macht, der Vorsprung kann hier noch weiter ausgebaut werden. Seine schönste Zeit, so räumt Paßreiter ein, habe er aber in den 80er Jahren bis Anfang der 90er bei Völkl erlebt. „Aufgrund der Schneelage, aufgrund der positiven Entwicklung des Marktes und des Sports gab es mehr Sicherheit“, erinnert er sich. Die Innovationskraft in der Branche befand sich damals auf dem Höhepunkt: Erst kam der Schalenski, dann der Carver. Nach dieser Welle an Neuerungen sei es mit dem Markt dann bergab gegangen, meint er. Die Bindungen werden zu den Ski dazu „verschenkt“, der Set-Preis setzt sich durch. Der Verleih nimmt stark zu, die Schneemengen wiederum ab, und das gipfelt in der Saison 2006/07 im berühmt-berüchtigten Katastrophenwinter, in dem der Markt um ein Drittel schmilzt (und von dem er sich irgendwie nie erholt hat). Die Um- und Absätze sinken von Jahr zu Jahr.

Was Siegfried Paßreiter an der Skibranche vermisst

Sich angesichts all dieser negativen Entwicklungen vorzeitig aus der Skibranche zu verabschieden, kam für Paßreiter jedoch nie in Frage. „Sport ist Bewegung, und Bewegung heißt Veränderung“, lautet sein Motto. Und das sei das Interessante in der Sportbranche gewesen – mit immer wieder neuen Produkten, neuen marktverändernden Herausforderungen. „Der Skisport ist so faszinierend. Ich hätte mir nie vorstellen können, für Fischer Dübel zu arbeiten“, bemerkt er. Was er zumindest ein bisschen an der Skibranche vermisst, sind die Kontakte „zu den meisten Industriekollegen und den großen Entscheidungsträgern aus dem Handel“. Ansonsten hält sich die Wehmut bei ihm in Grenzen. Er habe jetzt die Freiheit, nur die Dinge zu tun, auf die er wirklich Lust habe (Oldtimer fahren, Golf spielen). Ein Luxus, um den man ihn beneiden kann.



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