Mit Prüfung des Einzelfalls
12.01.2022, 10:38 Uhr

BGH-Urteil: Händler können bei Lockdowns Mieten kürzen

Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass Unternehmen in Folge von Corona-Lockdowns Anspruch auf eine Anpassung der Mietzahlungen haben. Es müssen aber immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
(Quelle: Shutterstock/Nitpicker)
Während der Corona-bedingten Lockdowns im vergangenen Jahr mussten viele Händler ihre Türen zusperren – die Mieten wurden jedoch nicht erlassen. Daher klärte der Bundesgerichtshof in einem Verfahren, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der Covid-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.
Nun wurde am 12. Januar 2022 die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Fall verkündet: Unternehmen können in Folge des Corona-Lockdowns zwar Anspruch auf eine Anpassung der Miete haben. Es müssten aber immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Dazu zählten beispielsweise die Umsatzeinbußen für ihr Unternehmen, staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen. Da beide Seiten, also Mieter und Vermieter, durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie belastet seien, soll keine Seite die alleinige Verantwortung tragen müssen, so der BGH. Halbe/Halbe-Aufteilungen der Miete seien aber zu pauschal.
Grundlage war ein Musterfall aus Sachsen zu einer Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste. Der Vermieter will die volle Miete von rund 7.850 Euro. Das Oberlandesgericht Dresden hatte entschieden, dass Kik nur etwa die Hälfte zahlen müsse. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil nun auf. Das Gericht in Dresden habe die konkreten Umstände nicht berücksichtigt. Es muss neu verhandelt werden.
Kik-Chef Patrick Zahn sagte: "Der Bundesgerichtshof hat mit seiner heutigen Stellungnahme Kik in seiner Praxis bestätigt, mit allen Vermietern in Einzelgesprächen über Kompensationen zu verhandeln." Mit dem überwiegenden Teil aller Vermieter seien außergerichtliche Einigungen über die Teilung der Mietkosten oder Kompensationen getroffen worden. Auch mit der Beklagten, bei der Kik zwei Ladenflächen angemietet habe, gebe es für das Jahr 2021 "partnerschaftliche Einigungen".

Der BTE Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren bezeichnete es als "nur fair", dass Kosten und Nachteile einer erzwungenen Schließung auf Mieter und Vermieter verteilt würden. "Von dem Urteil können tausende Textil-, Schuh- und Lederwarengeschäfte profitieren, die vor allem in den Innenstädten oft hohe Mieten zahlen und sich längst nicht immer mit ihren Vermietern über eine Mietminderung während des Lockdowns einigen konnten", so Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels. Auch der Handelsverband Deutschland begrüßte das Urteil.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die obersten Zivilrichterinnen und -richter Deutschlands mit den Folgen der Corona-Pandemie befasst haben. Die Fälle nehmen aber nun spürbar zu: Am 26. Januar soll in Karlsruhe über die Frage verhandelt werden, ob einem Gastronom Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der Schließung seiner Gaststätte infolge der Pandemie zustehen. Und am 12. Januar 2022 kündigte der Bundesgerichtshof an, Anfang März über Entschädigungen und Schadenersatz für coronabedingte Betriebsschließungen zu verhandeln. Der Inhaber eines Hotel- und Gaststättenbetriebs verlangt vom Land Brandenburg den Ersatz seiner Einbußen, die nicht durch gewährte Soforthilfen gedeckt wurden.
 



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