Lieferkette
Quelle: Shutterstock / sh99
Blockaden von FDP und Wirtschaftsverbänden 15.02.2024, 14:26 Uhr

Der steinige Weg des EU-Lieferkettengesetzes

Seit einem guten Jahr gilt in Deutschland das sogenannte Lieferkettengesetz – ein Meilenstein für Menschen in Ausbeuterbetrieben. Der nächste entscheidende Schritt wäre eine EU-weite gemeinsame Richtlinie. Doch die Verabschiedung zieht sich - wegen einer Partei.
Am Anfang jeder Lieferkette steht ein Mensch. Keine besonders neue oder originelle Erkenntnis, dennoch eine, die man sich immer wieder in Erinnerung rufen muss. Denn zu diesen Menschen gehören in vielen Fällen sogar Kinder. Umso erschreckender ist eine Zahl, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgelegt hat: 79 Millionen(!) von ihnen weltweit müssen unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten – in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Plantagen. Ein T-Shirt legt im Schnitt 18.000 Kilometer zurück, bis es bei uns in den Laden gelangt. Diese globalen Wertschöpfungsketten machen rund 80 Prozent des Welthandels aus, erklärt das Ministerium. Deutschland sei so intensiv in die globalen Lieferketten involviert wie kein anderes Land. Deshalb muss sich die Industrie ihrer Sorgfaltspflicht bewusst sein – und letzten Endes Maßnahmen ergreifen, um vorhandene Missstände zu beheben. Wohlgemerkt verpflichtend, da eine Freiwilligkeit nicht gefruchtet hat.

 

Lieferkettengesetz in Deutschland

 

So gibt es das sogenannte Lieferkettengesetz oder, wie es die Bundesregierung bei der Verabschiedung im Juni 2021 konkreter benannt hat, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Zunächst muss aber einmal definiert werden, was genau in den Bereich der Lieferkette fällt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales ordnet diesen wie folgt ein: „Die Lieferkette im Sinne des Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu der Lieferung an den Endkunden, und erfasst das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers sowie das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.

Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von notwendigen Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren.“ In diesem LkSG sind folgende Sorgfaltspflichten verankert: Einrichtung eines Risikomanagements (zum Beispiel durch eine Abteilung), Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, Abgabe einer Grundsatzerklärung, Verankerung von Präventionsmaßnahmen, Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, Einrichten eines Beschwerdeverfahrens sowie Dokumentation und Berichterstattung. Kontrolliert wird die Umsetzung des Gesetzes durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Unternehmen müssen, so heißt es, spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres ihren Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten an das BAFA übermitteln, das die Berichte überprüft. Das BAFA führt zudem risikobasierte Kontrollen bei Unternehmen durch. Es kann Personen vorladen, Geschäftsräume betreten und Unterlagen einsehen und prüfen sowie konkrete Handlungen vorgeben, um Missstände zu beheben. Ferner kann die Behörde Zwangs- und Bußgelder verhängen. Das Gesetz gilt ab dem 1. Januar 2024 für in Deutschland ansässige Unternehmen, die mindestens 1.000 Menschen beschäftigen (ab 1. Januar 2023, dem Inkrafttreten, waren das noch 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). 

Jetzt findet sich jedoch die eine oder andere Lücke in diesem deutschen Lieferkettengesetz von 2021. Die „Initiative Lieferkettengesetz“, die zur Berliner Umwelt- und Entwicklungsorganisation „Germanwatch“ gehört, weist darauf hin, dass Unternehmen ihren Pflichten ohne weitere Bedingung nur im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferbetrieben nachkommen müssten. Auf den dahinter liegenden Stufen der Wertschöpfungskette müssten sie erst tätig werden, wenn ihnen konkrete Hinweise auf Missstände vorliegen. Die Regelung berge die Gefahr, dass Unternehmen die tiefere Lieferkette und angemessene Sorgfaltsmaßnahmen dort zunächst ausklammerten.

 

 

Für welche Unternehmen die EU-Richtlinien gelten

 

Grundsätzlich galt dieses LkSG erst einmal als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt existiert Deutschland aber nicht in einem luftleeren Raum, und letztlich waren sich alle EU-Mitgliedstaaten einig, dass es ein EU-Lieferkettengesetz benötigt, um Gleichheit zu schaffen unter den Ländern. So unterbreitete die Europäische Kommission am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung. Dieser Entwurf nennt sich Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), zu Deutsch Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit. Hierbei geht es sowohl um menschenrechtliche als auch umweltbezogene Pflichten sowie Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Damit sollen künftig große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Sie sind nach den geplanten Regeln den Angaben zufolge für ihre Lieferkette verantwortlich, also auch für Geschäftspartner des Unternehmens und teilweise auch für nachgelagerte Tätigkeiten wie Vertrieb oder Recycling (was deutlich strenger ist im Vergleich zum LkSG). Die neuen Richtlinien gelten für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Mio. Euro Umsatz. Firmen, die nicht in der EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro machen. Nach Verabschiedung der CSDDD haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihr Recht zu überführen. Danach treten die nationalen Umsetzungsgesetze gestaffelt nach Unternehmensgröße in Kraft, bis fünf Jahre nach Verabschiedung der oben genannte Anwendungsbereich gilt. Das deutsche Lieferkettengesetz muss an die Richtlinie angepasst werden.

 

Allein wegen dem Nein der FDP zum EU-Lieferkettengesetz konnte dies noch nicht in Brüssel verabschiedet werden.
Quelle: Shutterstock / Westlight

3 Monate, 9,90 Euro, das volle Digital-Programm

Sie wollen mehr Wissen? Jetzt SAZsport DigitalPlus testen!
    • Alle Plus-Artikel auf SAZsport.de
    • Aktuelle Ausgaben als ePaper
    • Zugang zum Online-Archiv mit allen vergangenen Ausgaben
    • Monatlich kündbar